Jawohl, ein „Friends“-Set. Von den Spielfiguren, den sogenannten Minidolls, abgesehen, könnte der botanische Garten aber auch just im von den Minifigs bewohnten Teil des Kinderzimmers stehen; denn seit das „Friends“-Thema etablierter Dauerbestandteil im Lego-Sortiment ist, haben sie es nicht mehr nötig, die Gebäude ungehemmt in Orchideenfarben zu tünchen. Aber à propos „Orchideen“. Es gibt da ja von Lego diese Botanik-Kollektion. Ob dieses oder jenes Set offiziell Bestandteil dieser Kollektion ist, mag Gegenstand der Diskussion sein, aber wer würde denn über so eine Lappalie eine Diskussion vom Gartenzaune brechen?
Die Narzsissen werden von Lego selbst offenkundig als Teil dieser Kollektion betrachtet, wie das Verpackungsdesign verrät, die Sonnenblumen, Rosen und Tulpen möglicherweise nicht, und die Lotusblumen ebenfalls nicht; die Lotus-Verpackung ist überdies inkonsistent im Vergleich mit den anderen kleinen Blumensets, ohne Bild auf der Schmalseite. Lego! *Grummelemotikon*
Dem sei nun, wie ihm wolle, Lego hat jedenfalls seine Liebe zur Pflanze entdeckt, und gießt diese Liebe jetzt großzügig über sein Sortiment aus, mithin auch über die „Friends“-Welt. Phoebe Buffay wäre begeistert.
Das Gebäude des Botanischen Gartens orientiert sich stilistisch an Orangerien aus der Zeit der Belle Époque oder auch des Jugendstils, über Eck angelegt und mit gläserner Kuppel. Wie für Lego-Spielsets üblich, ist es hinten offen, und die halbe Kuppel erweckt den Wunsch nach einer Komplettierung des Gebäudes.
Liann und Niko, zwei Einwohner..äh..Innen von Heartlake City, machen sich einen schönen Tag mit Picknick und Bildungstrip in den Botanischen Garten. Da darf das Selfie für den Instagram-Auftritt nicht fehlen.
Liann wandelt auf den Spuren Maria Sibylla Merians und hält fleißig ihre Eindrücke im Bestimmungsbuch fest, ohne Smartphone, sondern oldschool auf Papier mit einem Stift, den ich ihr, so fürchte ich, verkehrtherum in die Hand gedrückt habe.
Am Eingang zur Botanique können sich Liann und Niko einen Überblick über die Anlage des Gartens verschaffen. Und das tun sie auch.
Hier begegnen wir Adi, der Gärtnerin, welche hier mit der Pflege des Bonsais und der Orchideen im Außenbereich beschäftigt ist. Sind es Orchideen? Diese drei purpurnen Blumen sind nebst den Topfpflanzen am Eingang die einzigen, welche nicht ausdrücklich botanisch gekennzeichnet sind. Denn, jahá! Lego nimmt hier seinen Lehrauftrag ernst und gibt zu den meisten gebauten Blumen und Gewächsen die wissenschaftliche Bezeichnung an.
Natürlich finden diese sich auch auf den Exponatsschildchen wieder, wenn auch leicht stilisiert. Beginnen wir mit der Außenanlage:
Bei den Seerosen handelt es sich um Nelumbo nucifera, indischen Lotus, der Winterkirschbaum ist mit Prunus mume bezeichnet. Im Teich wohnen außerdem zwei Kois und ein Frosch, darauf schwimmen zwei Enten in Erwartung übriggebliebener Krümel vom Picknick. Das Gewässer speist sich aus einem künstlichen (so darf man annehmen) Wasserfall.
An der Stirnseite wächst ein Bonsai, der auch als solches bezeichnet wird, wiewohl es sich natürlich nicht um eine Pflanzengattung handelt, sondern um eine Form der Gartenbaukunst, welche auf die verschiedensten Gehölze angewendet werden kann.
Nach Betreten des Vestibüls steht man vor einem Baum, der mit Plumeria bezeichnet ist. Durch die lichtdurchflutete Kuppel schmettern Flatterlinge. Auch diese verabsäumt Lego nicht zu bezeichnen: Morpho poleides und Chitoria ulupi.
Rechts vom Eingang befindet sich die Sukkulentenabteilung. Hier haben es sich die Setentwickler leider etwas leichtgemacht, indem sie schlicht von „Succus & cacti“ sprechen. Nun ja.
Der Blick auf die Kakteen wird verbaut durch den Wasserhahn, an dem Adi ihre Gießkanne füllt. Auch ein Haken für die Bonsaischere ist vorhanden.
Das Herzstück des Botanischen Gartens ist das Tropenhaus. Hier machen wir die Bekanntschaft mit einer ganzen Reihe exotischer Pflanzen. So findet sich hier elaboriertes Knabenkraut, gemeinhin Orchideen geheißen (Orchidaceae) neben einer Rafflesia, was seitens Legos sehr gewagt ist, denn Rafflesien sind die berüchtigten Stinkblumen, durch welche der Aufenthalt im Gebäude äußerst unerfreulich sein dürfte. Neben dieser schmarotzenden Ekelblume gedeiht ein Titanenwurz, Amorphallus titanium, der durch seinen Aasgeruch zum olfaktorischen Vergnügen beiträgt. Und herzlichen Glückwunsch, liebe Eltern! Nun dürfen Sie ihrem interessierten Kind erklären, was ein Phallus ist. Erfreulicher ist die Paradiesvogelblume, Strelitzia reginae, welche wie verschiedene Sukkulenten, der Bonsai und die Orchideen ebenfalls schon in der oberwähnten Botanik-Kollektion in Legostein gemeißelt wurde.
Von der Hallendecke rankt überdies noch eine Kannenpflanze, Nepenthes. Als fleischfressende Pflanze (In your face, Vegans!) ernährt sie sich vermutlich von den schönen Schmetterlingen.
Das Deckengewächs unter dem Glasdach bleibt ebenfalls unbezeichnet. Die phallisch aufragenden Blütenstempel lassen freilich nichts Gutes ahnen.
Soweit der Rundgang durchs Gebäude. Schließen wir mit einigen Impressionen:
Hätten wir auf den Springbrunnen auf dem Dach über dem Wasserfall eingehen können? Sicher. Aber wozu? Die Legofiguren haben keine Gelegenheit, ihn näher in Augenschein zu nehmen. Dieser kleine Logikfehler soll aber dem insgesamt sehr günstigen Eindruck von diesem Set keinen Abbruch tun. Das Gebäude, obschon im Kreuzungsbereich bedauerlich offen und unvollständig, würde sich schön in jede Set-basierte Lego-Stadt einfügen. Die Pflanzen sind liebevoll aus Einzelteilen komponiert, wie es sich für Lego gehört. Viele niedliche Details wurden durch gewitzen Einsatz ungewöhnlicher Teile ins Werk gesetzt. Ich möchte daher eine Empfehlung aussprechen!