Buch der Woche: Asterix und der Kupferkessel

26. Februar 2010

Mit „Asterix und der Kupferkessel“ erreichen René Goscinny und Albert Uderzo den literarischen Höhepunkt der Reihe. Spätestens hier hört „Asterix“ auf, nur eine lustige Aneinanderreihung bunter Bilder zu sein, die Kinder zum Lachen bringt, weil ulkige Römer durch die Luft fliegen. Sicher, anspielungsreich und anspruchsvoll waren diese Comics schon immer. In der französischen Originalausgabe wurden nicht einmal die lateinischen Sentenzen übersetzt, weil einfach vorausgesetzt wurde, daß sie verstanden würden. Aber mit dem vorliegenden Album wird eine intellektuelle Dichte erreicht, die ihresgleichen sucht, doch zumindest im Bereich der Funny-Comics nicht findet.


Dieser Einfliesencomic ist in verschiedenen Harry-Potter-Sets ent- halten.

„Asterix und der Kupferkessel“ ist ein Comic-gewordenes Theaterstück in fünf Akten. Die Zuordnung der einzelnen Handlungsabschnitte zu den Stufen der klassischen Dramentheorie ist zwar nicht ganz eindeutig, aber es beginnt mit der Exposition: Situative Einführung in die Geschichte (Ein Kupferkessel voller Münzen soll vor dem römischen Steuereintreiber versteckt werden.) und Vorstellung des Helden („Ich vertraue ihn meinem zuverlässigsten Krieger an: Asterix!“) sowie seines Gegenspielers (Moralelastix, der Besitzer des Kupferkessels. „Ein Stammeshäuptling. […] Ich mag ihn nicht sehr. Er ist geizig und paktiert aus Gewinnsucht gern mit den Römern.“). Sodann folgt der Auslöser des Konflikts, das erregende Moment: Der Kessel wird gestohlen, und Asterix, der seiner Aufgabe, den Kessel zu bewachen, nicht nachgekommen ist, wird aus der Heimat verbannt. Der Held ist am Boden zerstört, was man schlecht als Höhepunkt bezeichnen kann, es jedoch in emotionaler und dramatischer Hinsicht sicherlich ist. Als Kind haben mich die Tränen Asterixens durchaus gerührt.
Es folgen verschiedene Versuche, den Kessel wieder mit Geld zu füllen, was trotz der Hilfe von Obelix (und Idefix) nicht gelingen will. Mit Asterix’ Hoffnung schwindet auch mehr und mehr seine moralische Festigkeit. Nichts scheint zu bleiben von dem strahlenden Helden, der aus jeder Situation einen Ausweg findet, nicht einmal der Zaubertrank vermag zu helfen. Bis den dreien schließlich der römische Steuereintreiber über den Weg läuft, der just eine Summe Geldes bei sich trägt, die genau den Kessel füllt. Zufall? Keineswegs! Der schurkige Moralelastix hat selbst das Geld aus dem Kessel gestohlen, um damit die Steuern zu bezahlen und es sich von Asterix zurückbringen zu lassen. Es kommt zum letzten entscheidenden Kampf zwischen Asterix und Moralelastix. Der Zaubertrank ist längst aufgebraucht, Asterix muß sich ganz auf seine shakespearemäßigen Fechtkünste verlassen, was innerhalb der Reihe selten genug vorkommt. So sieht es auch schon so aus, als würde er, untrainiert wie er ist, unterliegen. Doch wie es die Dramaturgie will, kommt das Schicksal dem Helden zu Hilfe und vernichtet den Schurken.

Mit „Asterix und der Kupferkessel“ knüpfen Goscinny (Text) und Uderzo (Zeichnungen) an die große französische Theatertradition von Corneille, Molière, Racine und Voltaire an, gleichzeitig aber auch, der Situierung des Ganzen im antiken Gallien angemessen, an die klassische griechische Tragödie von Aischylos, Sophokles und Euripides. Oder besser doch an den griechischen Komödiendichter Aristophanes, denn selbstverständlich geht die Geschichte gut aus, niemand stirbt, niemand sieht sich vom Schicksal dermaßen gebeutelt, daß er sich die Augen ausstäche.

Neben der Gliederung der Geschichte nach dem Vorbild eines Dramas werden auch innerhalb der Handlung das Theater und andere Formen öffentlicher Publikumsbelustigung thematisiert. Der Versuch, das gestohlene Geld zurückzuholen, muß zunächst daran scheitern, daß Asterix nicht weiß, wer es denn gestohlen hat. Die Piraten sind naturgemäß verdächtig, doch nachdem unsere Helden deren Event-Gastronomie zertrümmert haben, ohne das Geld zu finden, beschließen sie, das Geld zu verdienen. Der Gedanke, dies mit Schriftstellerei zu versuchen, wird aufgrund augenscheinlicher Lächerlichkeit sofort verworfen; Idefix erweist sich als untauglich, Star einer gewinnversprechenden Hunde-Show zu werden; Asterix und Obelix werden zwar ihrerseits Stars in der Manege im „Palast der Gladiatoren“, doch ruinieren sie auf ihre unnachahmliche Art dessen Besitzer – der Kessel bleibt leer. Daraufhin heuern sie, jawohl, bei einer zerlumpten Schauspieltruppe an, ziemlich genau in der Mitte des Albums. Asterix entlarvt sich als erfrischend naiv, wenn er fragt: „Ist es gut bezahlt?“ „Ihr habt also noch nie Theater gespielt“, konstatiert daraufhin der Chefdramaturg und engagiert die beiden.

Die Theaterszene (im Album) mit ihrer Publikumsbeschimpfung, absurd durchinszeniertem Improvisationstheater und schließlich der Erstürmung der Bühne durch die römischen Truppen ist eine grandiose Persiflage auf die Ereignisse von 1968, dem Erscheinungsjahr des Albums. Damals kam es in der Pariser, nun ja, Theaterszene tatsächlich zu Verhaftungen von Schauspielern direkt von der Bühne weg. Den Schauspielern im Album winkt daraufhin die Erfüllung des Traums eines jeden Mimen: Der Tod auf der Bühne, in ihrem Fall im Zirkus von Rom. Doch Asterix und Obelix (und Idefix) bleiben arm, der Kessel leer. Uns hingegen wird das geniale Zitat eines Zuschauers geschenkt: „Eine neue Ästhetik. Mir sagt das was.“

Die Pferderennbahn, auf welcher unsere zunehmend verzweifelter werdenden Helden sodann ihr Glück versuchen, entpuppt sich zwar als Zuschauermagnet, aber keineswegs als Goldgrube. Zumal auch noch „Les Bleus“ wie üblich verlieren und die Weißen wie üblich gewinnen, was ich als Anspielung auf die Erfolge der französischen Fußballnationalmannschaft bis 1968 interpretiere. Wie dem auch sei. Daß Spielsucht in die Armut führt, hätte Asterix seinem siegesgewissen aber erfolglosen Buchmacher am zwielichtigen Erscheinungsbild ansehen können, der Kessel bleibt jedenfalls leer. So kommt es denn zum Äußersten: Wenn das Geld nicht auf ehrliche Weise zu beschaffen ist, muß es eben mit unlauteren Mitteln gehen. Asterix verlangt also in einem Gasthaus ein Zimmer „mit Blick auf die Bank“ und begibt sich daran, einen Plan auszubaldowern, um dieselbe auszurauben. Leider bin ich nicht Cineast genug, um meine These zu stützen, aber ich behaupte, daß die Bankraubepisode, als weitere Form der Publikumsbelustigung, eine Anspielung auf diverse Spielfilme ist, welche minutiös ausgeklügelte Bankräube zum Thema haben; zumindest kann ich nur neuere Beispiele à la „Ocean’s Eleven“ namentlich benennen. Für Asterix und Obelix, der sich im Rahmen des Überfalls noch einmal erfolglos als Schauspieler versucht, bleibt die Jagd nach dem Glück jedoch auch im Tresorraum der Bank erfolglos, denn im römischen Reich herrscht zu dem Zeitpunkt eine Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Kassen sind leer, son Pech.

Doch Asterix kann seine Ehre natürlich zurückgewinnen, und das Geld, ja das Geld kommt ausgerechnet jemandem zugute, der sonst nie etwas zu lachen hat. Also nicht dem Leser.


Sammelwut.

23. Februar 2010

Als Sammler bin ich natürlich auch selbst schuld. Was kaufe ich auch ständig irgendwelchen Kram, bloß um ihn zu besitzen, ohne eigentlich etwas damit zu tun? So besitze ich etwa von jedem Lego-Ritterset mindestens ein Exemplar. Viele schöne graue Steine, kann man toll was mit bauen. Aber nee, die Modelle lagern auseinandergenommen in ihren Kartons auf dem Schrank, und ab und zu kann ich mal damit angeben. Mach’ ich auch. Zähnezeigsmiley.

Ein Set, welches ich gerne meiner Sammlung hinzufügen würde, ist 1589, das in Stil, Charme und Nummer legitime Vorgängerset zu meinem Liebling 1592. Allerdings auch nicht so dringend, daß ich gewillt wäre, dafür sehr viel Geld auszugeben. Und immerhin habe ich es schon vermocht, mir zwei der seltenen beaufkleberten Figuren aus dem Set an Land zu ziehen.

← Denn manchmal hat man auch Glück. Dieses Männeken hat mich stolze 25 Cent gekostet. Zugegeben, der Aufkleber hat nicht Premiumqualität, ist an den Ränden angestoßen und auch etwas verblaßt, aber immerhin ist er unzerstört und vollständig. Und schief, aber ich traute mich nicht, ihn mit meiner üblichen Anspitzerklingenmethode abzulösen, um ihn gerade aufzukleben.

Manchmal hat man auch weniger Glück. Dieses → Figürchen kostete mich nämlich sehr viel weniger stolze 11 Dollar. Und ich machte die Erfahrung, daß die englische Sprache eine Bitch ist. „Wear to sticker“ stand in der Beschreibung. Naja gut, dachte ich, etwas angestoßen vielleicht. Daß „wear to sticker“ auch bedeuten darf „ziemlich kaputt“, war mir nicht bewußt gewesen. Da war ich dann doch, ich geb’s zu, ein bißchen wütend.

Und nun frage ich mich, ob so etwas noch sammelwürdig ist? Normalerweise schmisse ich kaputtes Lego ja einfach in den Müll; diese Dekadenz erlaube ich mir inzwischen. Aber vielleicht ist die Sammelwürde der Minifig ja unantastbar. Vor allem taugt die Figur eigentlich nur zum Gesammeltsein, denn in einem Diorama mit Eigenbauten aufstellen täte ich sie ja doch nicht, weil sie dafür nicht ansehnlich genug ist. Und wegschmeißen kommt auch nicht in Frage, weil der Aufkleber, obwohl kaputt, immerhin original ist. Und selten.

Echt, meine Probleme möcht’ ich haben!


Militär macht Krieg zum Genuß.

22. Februar 2010

’tschuldigung. Wollte bloß mal dafür sorgen, daß dieser Spruch in der Google-Suche erscheint. Mit Time Stamp Montag, 22. Februar 2010, gegen 16:00h MEZ.Militär macht Krieg zum Genuß.


Buch der Woche: Die Leiden des jungen Werthers

11. Februar 2010

Es stiebte zwischen Regen und Schnee, und erst gegen Eilfe klopfte er wieder.

Es wäre maßlos übertrieben, dies zur Kernaussage des Romans erklären zu wollen, doch es paßt gerade zum gegenwärtigen Wetter. Drum. Zudem war der ganzheitlich denkende Barometererfinder Goethe¹ es gewohnt, auch Wetterphänomene zu den Stimmungslagen seiner Charaktere in Beziehung zu setzen. Doch dazu später mehr.

¹) Ein Umstand, der ihm postum zum Verhängnis wurde. Denn u.a. deswegen wurde er von Rudolf Steiner vereinnahmt.

„Die Leiden des jungen Werthers“ ist ein Briefroman des noch ungeadelten Johann Wolfgang Goethe von 1774. Er ist dem „Sturm und Drang“ zuzuordnen, einer das Gefühl betonenden Gegenströmung zur Aufklärung, welchselbige den Verstand zum Non plus ultra erhoben hatte. Die Stürmer und Dränger, darunter die jungen Goethe und Schiller, sowie Jakob Michael Reinhold Lenz, Johann Gottfried Herder, Gottfried August Bürger und Friedrich Maximilian Klinger, hatten nicht bloß alle enorm viele Vornamen, sondern sie waren auch so etwas wie die Emos des 18ten Jahrhunderts. Gefühle wurden nicht mehr unter das Joch des Verstandes gezwungen, man erlaubte ihnen vielmehr, sich wild Bahn zu brechen. Und man schrieb Briefe.

Lego hat bei seiner Werther-Edition (Set 5808) freilich etwas mißverstanden. Denn die Briefe, die man dort zu lesen bekommt, sind keineswegs Liebesbriefe an das angehimmelte Frauenzimmer. Vielmehr richtet Werther sie ein um den anderen Tag an seinen Freund Wilhelm, quasi als Reise-Blog, denn Werther ist in Geschäften unterwegs. Von diesen berichtet er dem Freunde jedoch weniger als mehr von seinem sonstigen Ergehen in der Fremde und, wie könnte es anders sein, von der Bekanntschaft zu einer jungen Dame, einem Mädchen noch, einem liebreizenden Geschöpf, Charlotte, der Tochter des Amtmanns. Werther hat sich Hals über Kopf in Lotte verliebt. So lieblichen Angesichts ist sie, so schön von Gestalt, so anmutig sind ihre Bewegungen und, ganz wichtig, so rege ist ihr Geist! Kennen lernt Werther sie aus Anlaß eines Tanzvergnügens; man tanzt und ist guter Dinge, bis ein heftiges Sommergewitter das Treiben unterbricht.

Wir traten ans Fenster. Es donnerte abseitwärts, und der herrliche Regen säuselte auf das Land, und der erquik- kendste Wohlgeruch stieg in aller Fülle einer warmen Luft zu uns auf. Sie stand auf ihren Ellenbogen gestützt, ihr Blick durchdrang die Gegend; sie sah gen Himmel und auf mich, ich sah ihr Auge tränenvoll, sie legte ihre Hand auf die meinige, und sagte – Klopstock! – Ich erinnerte mich sogleich der herrlichen Ode, die ihr in Gedanken lag, und versank in dem Strome von Empfindungen, den sie in dieser Losung über mich ausgoß.

Auch noch Seelenverwandtschaft!

Aber ach! Irgendwas ist ja immer, und so ist es auch hier. Denn Lotte, die Gute, ist einem gewissen Albert versprochen, „so gut als verlobt“. Dieser brave Mensch ist zu der Zeit, da Werther Lotten kennenlernt, seinerseits in Familiengeschäften verreist, und Werther kann für einen kurzen Moment seine Stelle in Lottens Gefühlsleben einnehmen, irgendwie. Er spürt, daß Lotte ihm zugetan ist, und doch bleibt ihm nicht verborgen, daß sie auch ihren Verlobten liebt. Schlimmer noch! Als Werther schließlich den heimgekehrten Albert kennen lernt, muß er feststellen, einen wahrhaft liebenswürdigen Menschen vor sich zu haben, dem er seine Freundschaft nicht versagen kann. Er kann seinen Nebenbuhler also nicht einmal hassen; das wäre auch gar nicht nach Werthers Charakter.

Na jedenfalls, hin und her, Werther leidet. Wer jemals eine derartige Dreiecksgeschichte mitgemacht hat, weiß weshalb. Doch Werther ist ein Freigeist. Zwar muß er, der ehrlich empfundenen Liebe zu Lotte zum Trotz, sich diese versagen, wenn auch weniger der gesellschaftlichen Konvention halber, als vielmehr wegen seiner Achtung vor Albert. Aber er ist doch kein Gefangener auf diesem Planeten. Und so borgt er sich Alberts Pistole aus, bezahlt noch einige kleine Schulden und tut, was er meint, tun zu müssen. — „Kein Geistlicher hat ihn begleitet.“

Der Roman hat zu seiner Zeit ein lebhaftes Echo hervorgerufen. Dies um so mehr, als er zunächst anonym erschien und durch seine dokumentarische Briefform mit (fingierten) editorischen Hinweisen den Eindruck erweckte, es handele sich um einen Tatsachenbericht. Lästerliches Treiben und Gefahr für die beeinflußbare Jugend fanden die einen in dem Buch. Trost spendete es den anderen. In Einzelfällen mag sich auch der eine oder andere zur Nachahmung aufgerufen gefühlt haben. In jedem Fall war es Skandal und literarische Sensation zugleich.

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Paralipomenon.

Da es weiter oben eine Anmerkung (1) gibt, muß zwingend auch mindestens eine Anmerkung (2) folgen. Also:

²) Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803)

Die Frühlingsfeyer

Nicht in den Ozean der Welten alle
Will ich mich stürzen! schweben nicht,
Wo die ersten Erschaffnen, die Jubelchöre der Söhne des Lichts,
Anbeten, tief anbeten! und in Entzückung vergehen!

Nur um den Tropfen am Eimer,
Um die Erde nur, will ich schweben, und anbeten!
Halleluja! Halleluja! Der Tropfen am Eimer
Rann aus der Hand des Allmächtigen auch!

Da der Hand des Allmächtigen
Die größeren Erden entquollen!
Die Ströme des Lichts rauschten, und Siebengestirne wurden,
Da entrannest du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen!

Da ein Strom des Lichts rauscht’, und unsre Sonne wurde!
Ein Wogensturz sich stürzte wie vom Felsen
Der Wolk’ herab, und den Orion gürtete,
Da entrannst du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen!

Wer sind die tausendmal tausend, wer die Myriaden alle,
Welche den Tropfen bewohnen, und bewohnten? und wer bin ich?
Halleluja dem Schaffenden! mehr wie die Erden, die quollen!
Mehr, wie die Siebengestirne, die aus Strahlen zusammenströmten!

Aber du Frühlingswürmchen,
Das grünlichgolden neben mir spielt,
Du lebst; und bist vielleicht
Ach nicht unsterblich!

Ich bin heraus gegangen anzubeten,
Und ich weine? Vergieb, vergieb
Auch diese Thräne dem Endlichen,
O du, der seyn wird!

Du wirst die Zweifel alle mir enthüllen,
O du, der mich durch das dunkle Thal
Des Todes führen wird! Ich lerne dann,
Ob eine Seele das goldene Würmchen hatte.

Bist du nur gebildeter Staub,
Sohn des Mays, so werde denn
Wieder verfliegender Staub,
Oder was sonst der Ewige will!

Ergeuß von neuem du, mein Auge,
Freudenthränen!
Du, meine Harfe,
Preise den Herrn!

Umwunden wieder, mit Palmen
Ist meine Harf’ umwunden! ich singe dem Herrn!
Hier stehe ich. Rund um mich
Ist Alles Allmacht! und Wunder Alles!

Mit tiefer Ehrfurcht schau ich die Schöpfung an,
Denn du!
Namenloser Du!
Schufest sie!

Lüfte, die um mich wehn, und sanfte Kühlung
Auf mein glühendes Angesicht hauchen,
Euch, wunderbare Lüfte,
Sandte der Herr! der Unendliche!

Aber jetzt werden sie still, kaum athmen sie.
Die Morgensonne wird schwül!
Wolken strömen herauf!
Sichtbar ist, der komt, der Ewige!

Nun schweben sie, rauschen sie, wirbeln die Winde!
Wie beugt sich der Wald! wie hebt sich der Strom!
Sichtbar, wie du es Sterblichen seyn kannst,
Ja, das bist du, sichtbar, Unendlicher!

Der Wald neigt sich, der Strom fliehet, und ich
Falle nicht auf mein Angesicht?
Herr! Herr! Gott! barmherzig und gnädig!
Du Naher! erbarme dich meiner!

Zürnest du, Herr,
Weil Nacht dein Gewand ist?
Diese Nacht ist Segen der Erde.
Vater, du zürnest nicht!

Sie komt, Erfrischungen auszuschütten,
Über den stärkenden Halm!
Über die herzerfreuende Traube!
Vater, du zürnest nicht!

Alles ist still vor dir, du Naher!
Rings umher ist Alles still!
Auch das Würmchen mit Golde bedeckt, merkt auf!
Ist es vielleicht nicht seelenlos? ist es unsterblich?

Ach, vermöcht’ ich dich, Herr, wie ich dürste, zu preisen!
Immer herlicher offenbarst du dich!
Immer dunkler wird die Nacht um dich,
Und voller von Segen!

Seht ihr den Zeugen des Nahen den zückenden Strahl?
Hört ihr Jehova’s Donner?
Hört ihr ihn? hört ihr ihn,
Den erschütternden Donner des Herrn?

Herr! Herr! Gott!
Barmherzig, und gnädig!
Angebetet, gepriesen
Sey dein herlicher Name!

Und die Gewitterwinde? sie tragen den Donner!
Wie sie rauschen! wie sie mit lauter Woge den Wald durchströmen!
Und nun schweigen sie. Langsam wandelt
Die schwarze Wolke.

Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl?
Höret ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn?
Er ruft: Jehova! Jehova!
Und der geschmetterte Wald dampft!

Aber nicht unsre Hütte!
Unser Vater gebot
Seinem Verderber,
Vor unsrer Hütte vorüberzugehn!

Ach, schon rauscht, schon rauscht
Himmel, und Erde vom gnädigen Regen!
Nun ist, wie dürstete sie! die Erd’ erquickt,
Und der Himmel der Segensfüll’ entlastet!

Siehe, nun komt Jehova nicht mehr im Wetter,
in stillem, sanftem Säuseln
Komt Jehova,
Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens!

(Verfaßt 1759, überarbeitet 1771)
(Nicht nach Duden.)

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Und da es jetzt eh nicht mehr drauf ankömmt, schließen wir auch noch Anmerkung (3) an:

³) Meine erste Begegnung mit Klopstock hatte ich in meines Großvaters Brief- markenalbum, in Form dieser Briefmarke:
Deutsche Bundespost 1974

Dieser Marke ist auch meine erste As- soziation angesichts des Buchs der Woche vom 11. September 2009 geschuldet. Inzwischen weiß ich es natürlich besser, zumal Klopstock kein Romantiker war.

(An dieser Stelle wäre Anmerkung (4) betreffs Briefmarken dienlich, aber erstens gibt es keine hochgestellte „4“ auf der Tastatur, und zweitens muß jetzt auch langsam mal Schluß sein.)


Lugbulk. Trugbulk?

8. Februar 2010

LUGBULK, wie es offiziell geschrieben werden zu sollen scheint, ist ja nett gemeint. Aber wieso ist es so kompliziert?
Also. Es gibt Lego-Clubs („Communities“), am liebsten LUG geheißen: Lego Users Group. Und diese LUGs dürfen direkt von der Firma Lego zu verbilligten Preisen beliebige Teile im „Bulk“, also en gros erwerben. Soweit, so gut. Aber dann geht’s schon los. Es gibt nämlich Beschränkungen.

Erstens dürfen die durch die Lugbulk-Aktion erworbenen Teile nicht weiterverkauft werden. Hatte man sowieso nicht vor, also geschenkt.

Zweitens gibt es eine Beschränkung des Bestellvolumens auf 500 Dänische Kronen pro angemeldetem Teilnehmer an der Bestellung, wobei jeder nur bei einer einzigen LUG angemeldet sein darf. Nun gut.

Drittens aber gibt es eine Beschränkung auf 50 verschiedene Elemente, die pro LUG auf die Bestelliste gesetzt werden dürfen, und zwar ausgewählt aus der Liste aller zur Zeit in Produktion befindlichen Teile. Und da frage ich mich: Warum?

Die vordergründig einleuchtende Antwort darauf wäre: Lego will seinen eigenen Verwaltungs- und Arbeitsaufwand so gering wie möglich halten, was betriebswirtschaftlich ja auch sinnvoll ist. Also soll der Mitarbeiter, der schließlich mit der Liste durchs Lager flitzt, um die bestellten Teile einzusammeln, so wenig verschiedene Teile wie möglich einsammeln müssen.

Aber das kann ja nicht der Grund sein. Denn es gibt ja unzählige LUGs weltweit. (Jedenfalls ich habe sie nicht gezählt, aber die Zahl dürfte inzwischen fast dreistellig sein, davon ausgehend, daß allein in den USA jeder Bundesstaat seinen eigenen Lego Train Club hat, größere Staaten sogar deren mehrere.) Und alle diese LUGs erstellen eine Liste mit 50 gewünschten Elementen. Keine der Bestellisten wird mit der Bestelliste einer anderen LUG deckungsgleich sein. Im Extremfall befinden sich also alle derzeit in Produktion befindlichen Teile auf irgendeiner der Listen und der flitzende Mitarbeiter muß doch in jede einzelne Kiste in Legos Warenlager gucken.

Aber die LUGs haben ein Problem. Sie müssen sich nämlich intern auf 50 Teile einigen, und das bei über 100 zur Auswahl stehenden Farben. Welch heimtückischer Schachzug von Lego! Naturgemäß wird dieser Einigungsprozeß verzwackter, je mehr Mitglieder der Lego-Club hat. Bei 1000steine.de wurde also zunächst mal eine Vorauswahl getroffen: Teile welcher Art werden denn am dringendsten gewünscht? Dabei kamen fünf Kategorien heraus, nämlich Platten & Fliesen, Figurenzubehör, Grünzeug & Landschaftszubehör, Schrägsteine und Spezialsteine. Wer auf Türen & Fenster oder Zahnräder gehofft hatte, konnte sich also gleich ausklinken.

Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Teile war aber immer noch sehr groß. Darum gab es einen zweiten Trichter: Welche fünf Farben sind denn in den Kategorien Fliesen & Platten, Schrägsteine und Spezialsteine am gewünschtesten? Es ist keine Überraschung, daß vor allem beige, dunkelrot, dunkelgrün, dunkelblau und dunkelbraun begehrt sind. Alles schöne Farben, ohne Frage. Und erfreulicherweise gibt es in diesen Farben nicht jedes Element, also, juhuu! fällt plötzlich die Wahl nicht mehr so schwer!

Juhuu? Ja nee. Denn gerade Teile, die in großen Mengen zu akzeptablen Preisen kaum erhältlich sind, fallen somit durchs Raster. Vor allem aber stehen neue Teilformen bislang nur in wenigen Farben zur Verfügung, und zwar gerade nicht in dunkelirgendwas. 1×3-Fliesen zum Beispiel. Oder 2-hohe/1-breite Dachsteine, um endlich auch stabile Dächer mit Hexenröcken bauen zu können. Ich persönlich hätte mich auch gerne mal mit unangeknabberten, kratzer- und gilbfreien weißen 1×2-Fliesen eingedeckt. Pech gehabt.

Gewiß wird jeder auf der letztlich entstandenen Liste von 50 Teilen etwas finden, was er gebrauchen kann. Mit etwas Glück sind sogar seine absoluten Wunschteile dabei. Aber ebenso gewiß wird nicht alles auf der Liste zu finden sein, was man immer schon mal haben wollte. Im Gegenteil, das meiste wird es eben nicht auf die Liste geschafft haben. Und das nur wegen der harmlosen Vorgabe seitens Lego, daß nur 50 verschiedene Teile pro LUG bestellbar seien. Der vollmundig angekündigte Zweck des Lugbulk-Programms, daß nämlich „die Mitglieder einer LEGO Fan Gemeinschaft günstig an beliebige verfügbare Einzelteile gelangen“*, wird also auf die ernüchternde Wirklichkeit zusammengeschrumpft, daß der Einzelne für ungefähr 70 Euro Teile aus einer schmalen Liste erwerben kann, auf welche sich innerhalb der Community mit hohem Verwaltungsaufwand quälend geeinigt werden mußte.
*) Fünfter Absatz: „Ausführliche Informationen“.

Der Aufwand, der für die Auswahl der Bestelliste getrieben wird, und der sich danach auf die Bestellung und auf die Verteilung der Teile ausweiten wird, steht eigentlich in keinem Verhältnis zu der Ersparnis, die den AFOLs zuteil wird, zumal für Teile, die für den einzelnen nur zweite Wahl waren. Außerdem ist er völlig unnötig. Einfach wäre gewesen: „Hier habt Ihr die Liste, davon könnt ihr bestellen!“ Meinetwegen nur bis 500 Kronen für jeden.

Also, warum?
Etwas, das unnötig erscheint und dennoch gemacht wird, kann so unnötig nicht sein. Denn wenn es unnötig wäre, würde es ja nicht gemacht. Nicht von einem auf Effizienz ausgerichteten Wirtschafts- unternehmen wie Lego. Darum wage ich die verschwörerungs- theoretisch klingende Behauptung, daß Lego genau weiß, weshalb sie die Sache so handhaben, wie sie sie handhaben.

Zunächst mal können sie im Ansehen bei den AFOLs sowieso nur gewinnen, wenn sie ihnen die Möglichkeit einer solchen Bulk-Bestellung einräumen. Und daß AFOLs ein ernstzunehmender Kundenkreis mit eigener Kaufkraft und zusätzlicher Multipli- katorwirkung sind, hat Lego ja inzwischen gelernt. Mit so einer Lugbulk-Aktion werden die organisierten AFOLs also schön bei Laune gehalten, sie fühlen sich als Ansprechpartner und Kunden ernstgenommen, und haben den Eindruck, Vergünstigungen zu bekommen. Der gemeine AFOL ist also dankbar.

Sodann erhält Lego ganz konkret die Namen und Adressen dieser organisierten AFOLs, die sich zum Lugbulk-Programm anmelden. Damit kann man sicherlich vieles anstellen, was gar nicht schlimm sein muß, aber der Firma Vorteile bringt. Ich habe ja auch gar nichts dagegen, daß die Firma Vorteile hat. Lego hat meine Adresse als Shop-at-Home-Kunde ohnehin, also ist mir das relativ Wurscht.

Schließlich kann Lego hoffen, daß durch die verschiedenen Beschränkungen, die sie ins Programm eingebaut haben, die Bestellwut der LUG-Mitglieder sich in Grenzen hält. Der AFOL soll sich auch gar nicht erst daran gewöhnen, daß er alles in jeder Menge verbilligt direkt von Lego beziehen kann, wo kämen wir da hin! Natürlich soll auch der AFOL weiterhin sein Lego vornehmlich zum Normalpreis erwerben, zum Beispiel durch den Kauf von Sets bei Shop-at-Home. Wer bestimmte Teile haben will, muß diese halt ganz normal kaufen; die Lugbulk-Aktion kann nur ein winziges Steinchen im Beschaffungsmosaik sein, und keineswegs soll sie zur Hauptquelle werden. Aus Legos Sicht absolut verständlich.

Oder vielleicht ist das auch alles Quatsch, und sie halten die Kompliziertheit des Verfahrens wirklich für notwendig. Dann weiß ich auch nicht.