Der Reichstag zu Worms.

31. Oktober 2011

Vor Jahren baute ich dies, doch an Aktualität hat es angesichts der Kürbiskrise und in Gespensterkostümen herumlaufender Kinder nicht verloren. Leider bin ich zu träge, den ganzen Summs nochmal zu bauen, um ihn anständig zu photographieren, also müssen die Konserven herhalten. Ein Klick auf die Bilder führt zu größeren Ansichten. Also.

Der Reichstag zu Worms.

Nachdem er seine 95 Thesen wider den Ablaßhandel veröffentlicht hatte, pflog Luther einem kurzen Schriftwechsel mit dem Papst in Rom, wiewohl der päpstliche Anteil an der Konversation hauptsächlich in der formellen Mitteilung bestand, daß Luther sich als Ketzer für exkommuniziert zu betrachten habe, so er nicht seine Schriften widerrufe. Überdies ließ der Papst verfügen, daß alle Schriften Luthers verbrannt und aus dem Gedächtnis der Menschheit getilgt würden, denn sie paßten ihm gar schlecht ins Konzept einer auf weltliche Macht aufgebauten Kirche. Nicht vor Gott sollte der Gläubige sich verantworten, sondern vor der Kirche, und für ein reines Gewissen hatte er gefälligst etwas zu zahlen.

Daß Luther dies anders beurteilte, brachte ihm natürlich die Sympathien der einfachen Leute ein, schon deswegen, weil sie dieser ewigen Zahlerei an das Schatzamt in Rom überdrüssig waren; aber auch, weil er sich standhaft gegen die Dekrete der Oberen zur Wehr setzte und nichts widerrief. So etwas gefällt dem Volk. Nicht jedoch gewannen Luthers theologische Schriften ihm die Gunst Karls V. Dieser war katholisch und fühlte sich als Kaiser des „heiligen römischen Reiches“ verpflichtet, die Einheit der Kirche und der Christenheit zu schützen, sei es gegen die Heere Süleymans des Prächtigen oder gegen kleine widerborstige Mönche aus der sächsischen Provinz.¹ Daher hätte er liebend gern den Bannspruch des Papstes schlicht bestätigt und über Luther ohne Vertun die Reichsacht verhängt.

¹) Dieser Anspruch hinderte Karl jedoch nicht daran, seine Truppen im Jahre 1527 Rom plündern zu lassen und Papst Klemens VII. unter Hausarrest auf der Engelsburg zu stellen. Aber das tat er nicht in seiner Eigenschaft als römischer Kaiser sondern als Spanier², der gegen Frankreich in Italien Krieg führte.
²) Er war von Geburt kein Deutscher, sondern in den Niederlanden geborener Spanier. Die Herrschaft über das heilige römische Reich deutscher Nation war ihm als Habsburger eher von Abstammung wegen zugefallen, kümmerte ihn aber wenig.

Das aber wußte Luthers offensichtlich seinem Beinamen gerecht werdender Landesherr, Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, zu verhindern. Er erwirkte beim Kaiser, daß Luther die Gelegenheit erhielt, sich vor einer Verurteilung wenigstens zu rechtfertigen, wie es das gültige Recht vorsah. Schon gar nicht dürfe Luther nach Rom an die Inquisition ausgeliefert werden, weil er als Deutscher einen Anspruch darauf habe, nur innerhalb seiner Landesgrenzen gerichtet zu werden. Überdies habe ihm für seine An- und Abreise zum Prozeß freies Geleit zugesichert zu werden. Und so geschah es; der Kaiser lud den Doktor vor den Reichstag, der 1521 in Worms stattfand, daß er sich dort verantworte.

Vor uns sehen wir den hohen Saal, der Kaiser thront, vor ihm in zwei Viertelkreisen beobachten die Kurfürsten, gewandet in rot und weiß, das Geschehen³, der Saal ist gefüllt mit Würdenträgern aus Adel, Kirche und den Reichstädten, sowie Prozeßbeobachtern der Deutschen Presseagentur und Reuters’. In des Saales Mitte ist ein Tisch aufgebaut, darauf Luthers Schriften liegen, die er widerrufen soll, andernfalls er eines gestrengen, höchstkaiserlichen Urteils gewärtig sein muß, Gott helfe ihm, Amen! Vor dem roten Teppich vertritt Johann Eck als sachverständiger Theologe die Sache des Kaisers, hinter dem Tisch steht Luther selbst. Er erläutert, daß es ihm unmöglich sei, seine Bücher und Schriften, die er selbstverständlich anerkenne, zu widerrufen, da er sie im Einklang mit den Worten der Heiligen Schrift verfaßt habe, sodaß eine Widerrufung seiner Bücher und Schriften einer Widerrufung der Heiligen Schrift gleichkomme. Sollte ihm jedoch nachgewiesen werden, daß er in seinen Schriften Fehler im Sinne der Heiligen Schrift begangen habe, sei er der erste, der eigenhändig sein Geschreibsel den Flammen übergebe. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, soll er zum Abschluß seines Plädoyers gesagt haben.

³) Es müßten eigentlich ihrer sieben sein, doch das hätte an unerwünschter Stelle die Symmetrie beeinträchtigt.

Nun, es konnte ihm niemand formelle Fehler nachweisen, aber darum ging es ja auch nicht. Dem Kaiser ging es wie dem Papst um schnöde Politik, und sie waren gewohnt, diese kraft des ihnen verliehenen Amtes durchzusetzen, sodaß es sie mehr als wurmte, daß ein unbedeutender Mönch aus der kursächsischen Pampa ihrem Willen nicht gehorsamst Folge leistete, potz Fickerment noch eins! Dem Dr. Luther hingegen war die politische Tragweite seiner Anmaßung schnurz, ihm ging es um das Verhältnis des Menschen zu Gott, das er nicht durch eine Kirche vermittelt sehen wollte, die ihre Autorität als religiöse Instanz für bloß irdische Machtinteressen mißbrauchte.

Luther widerrief nicht und reiste ab, durchaus begleitet vom Beifall so manchen Reichsritters. Der Kaiser malte ihm noch die Reichs-8 auf den Rücken und erklärte ihn zum Vogelfreien, den jedermann jederzeit ohne Strafverfolgung beseitigen durfte. Ein Rechtsstaat war das halt damals nicht.


Voll old school, ey.

18. Oktober 2011

Oldschool
Gerade fand ich beim Stöbern auf der eigenen Festplatte einige Bilder wieder, mit denen ich mal an einem Wettbewerb teilnahm, aber natürlich nichts gewann. Hatte ich auch nicht erwartet. Es war ein Wettbewerb der Firma Nikon, dessen Spuren nurmehr indirekt im Internet zu finden sind. Vorgegeben waren die Worte „Ich bin“, gefolgt werden sollten sie von was total Kreativem, überlagernd ein ebenso total kreatives Foto. Ich finde meine Beiträge immerhin ausreichend gut, um sie hier doch noch einmal zu zeigen. In diesem Sinne: Bitte lächeln!

Aber wie es so meine Art ist, spielte ich da auch etwas mit unde- chiffrierbarem Subtext:

Vogelfrei

Das ließ die wenigen Betrachter dieses Wettbewerbsbeitrags natürlich verstört zurück. Und das erst:

Wirklich vogelfrei

Aber Hauptsache, ich hatte meinen Spaß.


Forrest Gumps Mama irrt.

8. Oktober 2011


Man muß die Pralinenschachtel bloß mal umdrehen. Und das Leben ist sowieso anders.


Figuren-Universalkasten 205 (82) bis (91)

4. Oktober 2011

Noch haben wir ja unsere Aufgabe noch nicht erfüllt, die Modellanzahl des Ideenposters im Set 205 zu ermitteln. 105 verschiedene wurden uns versprochen, heute gelangen wir nach eigener Zählung bis zur Nummer 91. Wir nähern uns also.

Da haben wir zunächst diese Wäscherin, welche der Zeit etwas hinterherhinkt. Ich kenne aus meiner Jugend zwar noch einige alte Frauen, die ein echtes Waschbrett ihr eigen nannten, aber niemanden mehr, der es benutzen mußte. 1978 hatte bereits die Modernität Einzug in deutsche Waschküchen gehalten, nicht jedoch in Dänemark, wie es scheint. (Einen Waschbrettbauch kenne ich aus eigener An- schauung hingegen nicht.)

Und hier haben wir sie wieder, die kleidchentragenden Mädels aus nicht näher definierten Kulturkrei- sen. Unser Großer Brockhaus von 1957, der in Elterns Bücherschrank trotzig gegen Wikipedia anstaubt, beinhaltet einige farbige Bildtafeln mit Trachten verschiedener Erdteile. So kommen die mir vor.

Wenn ich mich nicht irre, oder halt auch doch, behauptete ich bereits von einer vorherigen Figur, es handele sich bei ihr um eine japanische Geisha. Mag sein. Aber Gürtelschleife und Handhaltung dieser Dame lassen keinen Zweifel, daß es sich um eine wirkliche Geisha handelt. Weißgeschminktes Gesicht und kunstvoll frisiertes Haar sind mit den Mitteln des Sets nicht darzustellen.

Es bleibt exotisch. Und weiterhin ist die Abstra- hierungsfähigkeit des Betrachters herausgefordert. Vor uns sehen wir eine Beduinin, welche einen schweren Krug Wassers vom geheimen Brunnen zum Zeltlager trägt, ihn klischeegemäß auf dem Scheitel balancierend. Eine glutäugige Tochter der Wüste stellt man sich freilich, wenn auch nicht verschleiert, so doch immerhin mit langem schwarzen Haar vor. Geht hier nicht, denn Lego-Figuren können nicht so gut balancieren, ohne Noppen zu Hilfe zu nehmen.

Um die obige Frachterbesatzung nachbauen zu können, mußte das Spielkind einen Fundus an Schirmmützen in seinem Kinderzimmer haben, denn im Set ist nur die eine rote enthalten. In die Konzepte „Schirmmütze umdrehen, um eine Matrosenmütze zu simulieren“, „Ringelpulli“ und „Breitbeinigkeit des erfahrenen Seebären“ hatte sich der Erfinder dieser Bauvorschläge offenkundig verliebt. Unbestreitbar bergen sie aber Drolligkeitspotential.

Keine Zweifel bestehen auch an der Zusam- mengehörigkeit dieser Vierergruppe. Omas Eistee kann gleichzeitig der Ahnin, ihrer Tochter, dem Schwiegersohn und der kleinen Enkelin schmecken. Oder dem Sohn und der Schwie- gertochter, wer will das schon so genau wissen.

Sodele, der letzte Schwung an Drolligkeiten wird vermutlich die Auflösung bringen, ob das Poster tatsächlich 105 Bauvorschläge zeigt. Oder ob unsere Zählweise anfechtbar ist. Aber dies ein andermal.