I survived ein altsprachliches Gymnasium, and all I got was this stupid T-Shirt? Die Botschaft des T-Shirts, also ..ähm.. das Gesprächsangebot, lautet: Ich, Träger dieses Bekleidungsstücks, bin im Besitz eines Zertifikats, welches den Erwerb des Graecums nachweist. Das ist mein Abiturzeugnis. Graecum heißt: Ich lernte Altgriechisch, welchselbige Sprache ich demzufolge nun fließend spreche, Andra moi Ennepe-Ruhr-Kreis und so, kleiner Insider, Zwinkersmiley.
Nee, aber mal ernsthaft. Wozu benötigt man das Graecum, wenn man nicht Griechischlehrer oder Theologe werden will, was ich beides nie wollte? Was ist son Graecum also tatsächlich wert? Die Antwort lag letztens im Hausflur, in Form des vermaledeiten Post-Werbespams, den ich als Erdgeschoßbewohner dann immer zum Papiercontainer schleppen darf. DJ Bobo lebt noch und ist auf Tour! Und er nannte seine Tour… Seine Tour heißt… Na, zum Glück habe ich ja das Graecum.
Also: Es beginnt mit dem großen griechischen Buchstaben Sigma, Σ, gewieften Mathematikern als Summenzeichen bekannt, und der Lautwert entspricht einem S. S wie Summe, drum.
Dann haben wir ein großes V, das Vau, einen Buchstaben, den es so im griechischen Alphabet gar nicht gibt. Im Kontext antiker Sprachen könnte man es als lateinische Letter auffassen, wo es die ambivalente Repräsentation eines u- oder eines w-Lautes darstellt. Dafür gab’s bei Lateiners weder U noch W. Im Griechischen gab es kein großes V, dafür aber ein kleines ν. Das ist die griechische Minuskel zum großen Ν (Ny), und das entspricht in der Tat unserem N.
Es folgt der große griechische Buchstabe Theta, Θ, bei uns als Th dargestellt und in der Regel unterschiedslos zum T als t-Laut wiedergegeben. Im griechischen Alphabet gab und gibt es aber auch den Buchstaben Tau (Τ) für den t-Laut, so daß es naheliegend ist anzunehmen, daß Θ für einen anderen Laut genutzt wurde, nämlich, Überraschung, für einen dentalen Frikativ, mithin ein Ti-Äitsch wie in „the“ oder „with“. Als letzteres wird Theta auch im Neugriechischen verwendet.
Es folgt ein großes lateinisches L, welches ein umgedrehtes griechisches Γ ist, Gamma mit dem Lautwert g.
Es folgt ein großes U, von dem wir schon wissen, daß dies im antiken lateinischen Alphabet nicht existierte. Im Griechischen hingegen gibt es die Kleinschreibvariante des Buchstabens Ypsilon, vermutlich einen ü-Laut repräsentierend, anders als im modernen Griechisch, wo annähernd jeder Vokal ein i ist. Das kleine Y sieht so aus: υ, da hamwas also.
Dann steht da ein T, also ein t-Laut, egal in welchem Schriftsystem.
Es folgt ein Ʒ, nein, keine 3. Ʒ repräsentiert im Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) einen stimmhaften sch-Laut wie in „Gelee“. Dieser Laut wird in einigen slawischen Sprachen als Ž geschrieben, Zett mit Hatschek, und in der Tat basiert Ʒ auf einer Schreibvariante des Buchstabens Z, wie sie zum Beispiel in der Sütterlin-Schrift vorkommt.
Θ hatten wir schon. Es sollte nicht velwechsert werden mit dem Buchstaben Ө, welcher in nicht-slawischen Sprachen, die das kyrillische Schriftsystem verwenden, einen ö-Laut repräsentiert, bspw. im Mongolischen oder Kirgisischen.
Zu guter Letzt überrascht uns ein N. Und wenn das hier ein N ist, dann ist das V von oben kein kleines Ny.
Fassen wir also zusammen, wie heißt DJ Bobos Jubiläumstour? Dies herauszufinden war eine kleine Tortur, aber das Ergebnis steht:
Swthgytžthn
Das kann wahrscheinlich nur ein Schweizer flüssig aussprechen.
Und ja, liebe Unbildungsbürger, ich bin natürlich genauso blöd wie ihr. Auch ich habe „Evolution“ gelesen.
Konnten Pink Floyd nach dem Band-Austritt von Roger Waters also als aufgelöst betrachtet werden? Ja. (Waters zufolge.) Nein. (Gilmour zufolge.) Um dieses sein Ansinnen zu unterstreichen, veröffentlichte dieser 1987 das Album „A Momentary Lapse Of Reason“, zu Deutsch etwa „Ein vorübergehendes Aussetzen des Verstandes“. Ja, das kann man so sagen.
A Momentary Lapse Of Reason
Bis dahin waren Pink Floyd eine Band gewesen, die sich durch eine sehr dauerhafte Besetzung ausgezeichnet hatte. Nach dem ersten Album war zwar Syd Barrett mehr oder weniger, und nach dem zweiten Album vollständig durch David Gilmour ersetzt worden, und Rick Wright war mit „The Wall“ ausgeschieden; aber im Kern war Pink Floyd bekannt und erfolgreich in der Besetzung Waters/Mason/Wright/Gilmour, nur vereinzelt unterstützt durch Dick Parry am Saxophon, mit Gastauftritten von Clare Torry und Roy Harper, nicht zu vergessen auch Ron Geesin nebst Chor und Orchester auf „Atom Heart Mother“. Auf dem vorliegenden Album jedoch…
„Pink Floyd“ steht drüber, Nick Mason und David Gilmour sind abgebildet, aber die Besetzungsliste führt 19 (neunzehn) Musiker auf, darunter neben Nick Mason vier weitere Schlagzeuger und/oder Perkussionisten. Die Liste läßt sich überdies erweitern durch vier zusätzliche Song-Schreiber (die nicht Mitglieder der Band Pink Floyd sind) neben dem Produzenten Bob Ezrin, die bei den einzelnen Tracks angegeben sind. Das liest sich nicht wie ein Album, das von einer Band mit einem kohärenten Plan als Gruppe geschaffen wurde, sondern wie ein Solo-Album mit Gast-Musikern, nämlich David Gilmours Solo-Album, aber unter dem zugkräftigen Namen „Pink Floyd“. In your face, Roger Waters! Rick Wright ist als Gast-Musiker übrigens auch vertreten; aus vertraglichen Gründen durfte er nicht als Band-Mitglied aufgeführt werden, was aber auch keinen Unterschied gemacht hätte.
Die Titelgestaltung oblag traditionsgemäß Storm Thorgerson, ebenfalls als Solo-Künstler, da seine Agentur „Hipgnosis“ seit 1985 nicht mehr existierte. Das aufwendige Betten-Bild hat als Cover durchaus Kraft, jedoch wird es beschnitten durch zeittypische spät-80er Graphik-Elemente, die benutzt werden mußten, weil ja jetzt Computer verfügbar waren. Insofern paßt es perfekt zum Sound des Albums, der ebenfalls sehr 80er-typisch ist, mit Synthesizern und Hall.
David Gilmour war erkennbar darum bemüht, den typischen Pink-Floyd-Sound, der auf „The Final Cut“ so schmerzlich vermißt wurde, wieder aufleben zu lassen. Zu diesem End waren sicher der vermehrte Einsatz von Keyboards und vielleicht sogar Fast-Mitglied Rick Wright hilfreich. Demgegenüber fehlt naturgemäß das aggressiv-prägnante Baßspiel von Roger Waters, wiewohl in Person von Tony Levin ein prominenter Ersatz gefunden wurde.
Lassen wir doch zwischendurch mal „Yet Another Movie“ erklingen, bereitgestellt von Pink Floyds eigenem Youtube-Kanal:
Nun, da ich das Album nach langer Zeit mal wieder höre, finde ich es gar nicht so schlecht. Es klingt vielleicht etwas zu bombastisch, ist klanglich ganz sicher zu deutlich in den 80er Jahren verortbar, aber abgekoppelt vom Namen „Pink Floyd“ kann es was. Ein Konzept-Album durfte man unter den gegebenen Umständen nicht erwarten, und es ist auch kein solches. Sicher gibt es Hörer, die durch dieses Album zum allerersten Mal überhaupt mit Pink Floyd in Berührung kamen und dies für den ultimativen Pink-Floyd-Klang halten, aber höre ich es in Reihe mit klassischen Alben wie „Meddle“, „Dark Side Of The Moon“, „Wish You Were Here“ oder „Animals“, läßt es doch Wünsche offen. Und ich kann ja nicht einmal von mir behaupten, die Band in ihrer Blüte, nämlich eben in den 70er Jahren, bewußt erlebt zu haben.
Trotzdem besitze ich „A Momentary Lapse Of Reason“ auch als Schallplatte.
Delicate Sound of Thunder
Selbstverständlich gingen Pink Floyd mit dem neuen Album im Seesack (völlig sinnlose Wortwahl, wollte mich bloß etwas abheben) auch auf Tour. Sehr viel weniger selbstverständlich ist, daß im Jahre 1988 auch ein Live-Album veröffentlicht wurde, war es doch nach der ersten Hälfte von „Ummagumma“ und dem Konzertfilm „Live at Pompeji“ erst der dritte offizielle Live-Release von Pink Floyd; das Live-Album zur Wall-Tour erschien erst im Jahre 2000. Und da ich selbst mich die längste Zeit gar nicht für Live-Alben interessierte, nahm ich es erst kürzlich mit, als es beim Gebraucht-CD-Händler halt so rumstand und den Daumen rausstreckte. (Schon wieder so sinnlos, diese Wortwahl.)
Das Album, also darf man annehmen: auch das Konzert, beginnt direkt mal mit dem fast 12minütigen „Shine On You Crazy Diamond“, womit alle Konzertbesucher unmittelbar im Boot gewesen sein dürften. (Mit Seesack. Hmpf.) Im Folgenden wird das aktuelle Album abgehandelt, sechs der zehn Songs werden zur Aufführung gebracht: „Learning To Fly“, „Yet Another Movie“, „Round And Around“, „Sorrow“, „The Dogs of War“ und „On The Turning Away“. Die Live-Behandlung tut den Songs gut. Beispielhaft „Learning To Fly“:
Die zweite Scheibe ist dann eine Greatest-Hits-Revue, die allerdings mit „One Of These Days“ eingeleitet wird. Es folgen „Time“, „Wish You Were Here“, „Us & Them“, „Money“, „Another Brick In The Wall part II“, „Comfortably Numb“ und „Run Like Hell“. Songs von „The Final Cut“ fehlen, was kaum zur Verwunderung Anlaß zu geben vermag, wiewohl es unvermeidlich war, Lieder zu spielen, an denen Roger Waters Rechte hat. Er verdient also mit, soll er sich mal nicht so anstellen.
Weil es als das Paradebeispiel für David Gilmours Gitarrenspiel gilt, bringen wir hier mal „Comfortably Numb“ zu Gehör, ebenfalls von PFs eigenem Youtube-Kanal:
Wie eingedenk der extensiven Besetzungsliste von „A Momentary Lapse Of Reason“ zu erwarten war, rekrutiert sich auch das Personal dieser Konzertscheibe aus mehr Musikern als den drei Pink-Floyd-Mitgliedern. Guy Pratt zupft den Baß, Scott Page bedient das Saxophon. Außerdem gibt es je einen zusätzlichen Gitarristen, Keyboarder und Perkussionisten, die alle auch Gesangsparts haben, nebst drei Hintergrundsängerinnen. Auf diese Weise bringt man also einen Sound auf die Bühne, der einem den Ruf als larger-than-life Stadion-Rock-Band beschert.
(Nur mal so: „larger than life“ heißt im Deutschen „überlebensgroß“ und bezeichnet eigentlich Statuen, die im Maßstab größer sind als ein Mensch, wie etwa Michelangelos David (5,17 m hoch). Wer das mit „größer als das Leben!“ übersetzt und unironisch so verwendet, ist für mich kein falscher Freund, sondern ein echter Feind.)
The Division Bell
Mit dem 1994er Album „The Division Bell“ durfte sich auch Rick Wright endlich wieder als vollwertiges Pink-Floyd-Mitglied fühlen, sogar mit Writing-Credits. Es hätte dies mein erstes bewußt wahrgenommenes PF-Album sein können, wenn ich nicht erst 1996 überhaupt dieses Bewußtsein entwickelt hätte. Aber das erwähnte ich ja bereits vor über drei Jahren, als ich diese retrospektive Rezensionsreihe begann. Alter! Die Zeit!
Mit diesem Album waren Pink Floyd in der CD-Ära angekommen, bei der Gestaltung des Albumcovers wurde sogar der plastene Griffrand miteinbezogen: In Braille steht da „Pink Floyd“, eine Kordel oder Schlange (?) nebst dem aktuellen PF-Logo sind ertastbar. Abermals war bandfremdes Personal an der Entstehung des Albums beteiligt. Guy Pratt durfte nach seinem vorangegangenen Tourengagement nun auch hier mittun, Dick Parry gibt sich als Saxophonist zum wiederholten Male die Ehre, und war Pink Floyd einst Vorreiter auf dem Gebiet des Samplens gewesen, so erfahren sie nun bei der Programmierung von Percussion und Keyboard Unterstützung durch Gary Wallis und Jon Carin respective. Außerdem ist eine gewisse Polly Samson maßgeblich am Schreiben der Liedtexte beteiligt, wofür David Gilmour sie vom Fleck weg heiratete. Als Special Guest computerspricht Stephen Hawking Zeilen im Song „Keep Talking“, und Douglas Adams warf sein Handtuch in den Ring, als es um den Namen des Albums ging. Hut ab! High Hopes:
„High Hopes“ ist der Titelsong dieses Albums, insofern es Glockengeläut und die Worte „The ringing of the division bell“ enthält. Außerdem ist es auch der Titelgebende Song des folgenden Albums, denn es endet auf die Worte „The endless river / forever and ever“, doch dazu kommen wir noch.
„The Division Bell“ ist ein sehr gutes ..äh.. Poprock-Album. Gelegentlich läßt es Anklänge an die klassische PF-Ära erahnen, mit sehr viel gutem Willen könnte man sogar einen roten Faden spinnen und über den Begriff „Konzeptalbum“ nachdenken, um ihn aber dann doch nicht auf das vorliegende Werk anzuwenden. Alles in allem wirkt es jedoch geschlossener und einheitlicher, mehr als Gruppenarbeit erkennbar als die vorherige Scheibe. Verfolgt man im Internet, namentlich auf Youtube, Album-Hierarchien von PF-Fans und Musik-Connoisseuren, was ich tue, so kann man beobachten, daß „The Division Bell“ erstaunlich oft vordere Plätze in diesen Rankings einnimmt. Das mag an der Gefälligkeit des Materials liegen, die zwiefellos gegeben ist, vor allem im Vergleich mit Alben wie „Atom Heart Mother“, „More“ oder gar „Ummagumma“. Mir ist das freilich zu glatt. Elegische Klangteppiche hin, präzise Gilmour-Gitarre her, ich vermisse die politische Rotzigkeit des Waters’schen Basses.
Pulse
Is’n Live-Album, interessiert mich nicht. So dachte ich jahrzehntelang, bis, hach! es im Gebraucht-CD-Laden stand und mich auffordernd anblinkte. Zuvor hatte ich schon neuere Ausgaben des Albums unbeachtet stehen gelassen, weil sie mich nicht anblinkten, aber hier griff ich dann doch mal zu.
Das geht gar so weit, daß ich die CD nun, jetzt, in diesem Moment, da ich dies schreibe, zum ersten Mal einlege, um sie zu hören. Inzwischen liegt das weniger an etwaig nicht vorhander Liebe für Live-Auftritte von Pink Floyd, denn mittlerweile ist diese Liebe in mir gewachsen. Stundenlang lauschte ich historischen Mitschnitten aus der psychedelischen und programmatischen Phase der Band. Vielmehr weckte speziell diese späte Phase mit ihrem lendengeschürzten Bombastrock mein lebhaftes Desinteresse. Aber jetzt war der Sammeltrieb doch stärker, und seitdem pulsiert es hinter mir im CD-Regal; was für eine Batterieverschwendung!
„Pulse“ ist jedenfalls das 1995er Konzertalbum zur Division-Bell-Tour. Doch ein wirkliches Konzertalbum ist es gar nicht, denn es wurden Aufnahmen aus verschiedenen Veranstaltungen verwendet, die späteste datiert vom 20. Oktober 1994. Das ist insofern schade, als eine Woche später Douglas Adams als Anhalter in diese Galaxis der Spacerock-Veteranen mitgenommen wurde und auf seiner Gitarre Begleitakkorde klampfen durfte.
Und apropos Spacerock: Abermals beginnt das Konzert mit „Shine On You Crazy Diamond“, doch dann folgt „Astronomy Dominé“, welches einst das Debutalbum eröffnete. Es schließen sich an Songs vom aktuellen Album „Division Bell“, von „Momentary Lapse Of Reason“ und „The Wall“. Stephen Hawkings Beitrag zu „Keep Talking“ war dankenswerterweise eh ein Soundschnipsel, so daß der Star-Physiker nicht bei jedem Konzerttermin persönlich anwesend sein mußte. Trotzdem spielen wir hier mal „Astronomy Dominé“ an:
Die zweite Konzerthälfte wird von „Dark Side Of The Moon“ dominiert, welches in Gänze zur Darbietung kommt. Den Abschluß bilden schließlich „Wish You Were Here“, „Comfortably Numb“ und „On The Run“.
Ausgerechnet das reduzierte „Wish You Were Here“ war die Single-Auskopplung aus diesem bombastischen Live-Album.
In der Veröffentlichungshistorie folgte dann im Jahre 2000 „Is There Anybody Out There? The Wall Live 1980–81“, wovon wir es, wie der geneigte Leser sich sicher erinnern wird, bereits bei der Besprechung von „The Wall“ hatten. Hieran schlossen sich zwei Kompilationsalben an, die ich mir schenkte, weil ich von ihrer Existenz nichts mitbekam. Im Jahre 2005 traten Pink Floyd im Rahmen des Live-8-Konzerts gemeinsam auf, und gemeinsam heißt hier: zu viert, Gilmour, Mason, Wright und Waters! War das die langersehnte Versöhnung, die Wiedervereinigung, die Einmottung des Kriegsbeils? Nä. Es war ein publikumswirksamer Fototermin, nichts weiter. Im Jahre 2006 verstarb Syd Barrett. Im Jahre 2008 folgte ihm Richard Wright nach. Und so erschien schließlich und endlich, 20 Jahre nach dem vermeintlich letzten Studioalbum von Pink Floyd, im Jahre 2014:
The Endless River
Was soll man dazu sagen? Dies wäre meine Chance gewesen, auf den letzten Drücker noch ein Pink-Floyd-Album frisch bei Verkaufsstart zu erwerben, und ich ließ sie ungenutzt verstreichen. Meine Erwartungen an dieses Album, bei dem vorab klarwar, daß es keine amtliche Reunion sein würde, waren gedämpft. Richard Wright war bereits 2008 gestorben. Das Verhältnis mit Roger Waters war lange vorher schon tot. Selbst Storm Thorgerson, etatmäßiger Titelgestalter für Pink Floyd, hatte 2013 das Zeitliche gesegnet. „The Endless River“ wurde von David Gilmour und Nick Mason in Erinnerung an Rick Wright aus unveröffentlichtem Studiomaterial zusammengestellt, das bei den Aufnahmen zu „The Division Bell“ übriggeblieben war. Dazu haben Mason und Gilmour auch einiges neueingespielt. Roger Waters war nicht dazu zu bewegen, um alter Freudschaftsbande willen zu diesem Album irgendwas beizutragen. Und so bleibt es denn bei sphärischem Ambient-Sound, Klangteppichen und Collagen. Aber natürlich kaufte ich es dann irgendwann doch.
Da ist manch schöner Klang dabei, es taugt alles ganz gut als Hintergrundberieselung, zum Beispiel in diesem Augenblick. Keine Songtexte irritieren mich beim Schreiben dieser Zeilen, denn es gibt keine, es ist ein fast reines Instrumentalalbum. Einzig Stephen Hawkings Wortbeitrag zu „Keep Talking“ erklingt im Stück „Talkin‘ Hawkin'“, und nach einer Dreiviertelstunde ertönt dann doch noch David Gilmours Stimme, „Louder Than Words“:
Hätt’s das gebraucht? Vermutlich nicht. Vielleicht war das Gilmours Versuch, nach der Erfahrung mit Syd Barretts Schicksal, das in der Band dauerhaft unverarbeitet blieb und als ewiger Schatten über allem lag, wenigstens das Verhältnis zu Rick Wright, das ja in der Wall-Periode ebenfalls zerrüttet war, zu einem würdigen Abschluß zu bringen, wenn auch nur noch posthum. Mit Freund Waters war das aber offenbar nicht angemessen möglich. Schade drum. So oder so wird es nicht „The Endless River“ sein, was von Pink Floyd in Erinnerung bleiben wird. Großartige Musik von, na, sagen wir dreizehn anderen Alben wird ins musikalische Gedächtnis der Menschheit eingehen und seinen festen Platz behaupten. Behaupte ich mal.
Den Namen Yoko Ono kenne ich seit meiner Kindheit. Von mir auf andere schließend behaupte ich, den Namen kennt jeder. Und wenn man sonst nichts weiß, dann immerhin, daß sie irgendwie mit John Lennon und so. Das war jedenfalls bis neulich ungefähr ziemlich genau der Stand meines Wissens. Außerdem könnten deutschsprachige Musik-Connoisseure sich an eine kurze Charakter-Beschreibung von Die Ärzte erinnern.
Zu Ostern nutzte ich die Gelegenheit, im WDR-Fernsehen den „Imagine“-Film von John Lennon und Yoko Ono zu sehen. (Bis zum 5ten Juli 2021 ist er noch in der Mediathek des WDR verfügbar.) Neben der erwartbar sehr brauchbaren Musik von John Lennon fand ich auch das durch die Bildsprache wirkende Zeitportrait von 1970 sehr inspirierend. Und eben Yoko Ono. Sie und John Lennon scheinen sich ernsthaft geliebt zu haben.
Es gibt da ja jetzt dieses Internet, und da soll man annähernd jede Information finden, die man sucht. Ist auch so, wie ich feststellte. Zum Beispiel weiß ich nun, daß Yoko sieben Jahre älter war als John, und daß sie jetzt 88 Jahre alt ist und noch lebt. Außerdem halten viele Beatles-Fans sie für den Spaltpilz, der die „schrillen vier aus Liverpool“ auseinandertrieb, was freilich von den Mitgliedern nie bestätigt wurde. George Harrison ist Gaststar im „Imagine“-Film und Ringo Starr gastiert auf Yokos Debut-Album. Kann also nicht so schlimm gewesen sein, aber für viele Hardcore-Beatles-Kuttenträger ist sie ein rotes Tuch. In vielen Youtube-Kommentaren wird, zusammengefaßt, abschätzig darauf hingewiesen, daß Yoko Ono eine talentfreie Schreihälsin sei. Hinzu kommt ihr Engagement als Friedens-Aktivistin und Feministin, womit sie naturgemäß nicht bei jedem offene Türen einrennt. Und zu allem Überflux bleibt ihr künstlerisches Schaffen, welches der Fluxus-Bewegung zuzurechnen ist, den allermeisten Menschen, wohlwollend ausgedrückt, rätselhaft. Die Mehrheitsmeinung scheint also mit Die Ärzte konform zu gehen, daß Yoko Ono zumindest mal nervt.
Ich bin freilich stets um Unvoreingenommenheit bemüht, weshalb ich in einigen Stichproben auf Youtube eigene Höreindrücke sammelte. Diese fielen weit weniger ungünstig aus als das Leumundszeugnis. Sogar ausreichend günstig, um mir direkt mal ein Album zu besorgen. Daß Yoko Ono selbst Platten veröffentlichte, war mir zuvor auch nicht bewußt gewesen. Wenn dein Boyfriend Ex-Beatle und Präsident von Apple Records ist, mag der Weg zur eigenen Langspielplatte wohl auch nicht so weit sein. Jedenfalls. Ich erwarb das Album „Approximately Infinite Universe“ von 1972 und legte es eingedenk der Vorwarnungen mit banger Erwartung auf – – –
Vergeblich wartete ich auf talentfreies Geschrei. Sicherlich hat Yoko Ono nicht die allergüldenste Stimme des Planeten, aber eine Florence Foster Jenkins ist sie bei weitem nicht. Ihre warme Alt-Stimme ist sogar recht wandelbar, wenn man bedenkt, daß sie zu dem Zeitpunkt schon fast 40 war und keine formale Gesangsausbildung genossen hatte. Die Songs sind teils rockig, teils bluesig, teils nehmen sie geradezu den Punk vorweg, bisweilen spielt Yoko mit ihrer japanischen Herkunft, und einige Lieder könnten gar im Soundtrack eines Tarantino-Films auftauchen. Die Texte gehen mit ihrer Berufung als feministische Aktivistin einher, wozu auch der im Innern des Gatefolds abgedruckte Text paßt. Das Doppel-Album beginnt auf Seite 1 mit „Yang Yang“:
Dreht man die Scheibe um, landet man auf Seite 4, wer denkt sich denn den Quatsch aus? „Move On Fast“:
Die zweite Scheibe enthält demzufolge die Seiten 2 und 3. Der Titelsong „Approximately Infinite Universe“:
Und schließlich „Shiranakatta (I didn’t Know)“:
Was soll ich sagen? Ich mag’s.
Aber woher kommen jetzt die Andeutungen, daß Yoko Ono talentfrei herumschreien würde? Jahá! die kommen nicht von ungefähr. Denn das oben besprochene Album „Approximately Infinite Universe“ war ja nicht Yokos erstes Werk. Bis zu diesem kamen viele potenzielle Zuhörer erst gar nicht, denn zuvörderst hatten sie „Plastic Ono Band“ gehört, eine Art Kooperation mit ihrem geliebten John Lennon, der die Klampfe rührt, unter Beteiligung, ich erwähnte es, von Ringo Starr am Schlagzeug. Beatles-Fans hatten also möglicherweise große Erwartungen, genährt durch den Umstand, daß es sich um eine Doppel-Veröffentlichung in zwei Alben handelte, eine Platte von John, eine Platte von Yoko, mit annähernd identischen Titelbildern mit subtiler Unterscheidung.
Falls es nicht zu erkennen ist: Auf Johns Album ruht sein Kopf in Yokos Schoß, auf Yokos Album ihr Kopf in Johns. Die Rückseiten der jeweiligen Alben zieren Kinderfotos. Dieses Konzept finde ich durchaus süß.
John Lennons Album bietet erwartbar sehr brauchbare Musik. Yoko Onos Album hingegen beginnt mit dem ..äh.. Song „Why“. Und exakt diese Frage drängt sich auf. Dringend.
Dankenswerterweise beantwortet der zweite ..äh.. Song die Frage umgehend: „Why not“.
Die B-Seite beginnt mit einem experimentellen Rehearsal-Tape. Mit „AOS“ imitiert Yoko – ich möchte sagen: gekonnt! – das schief in den Angeln hängende Gartentor, das dich bei Ostwind die ganze Nacht nicht schlafen läßt:
Der dem talentfreien Geschrei hinterlegte Groove von John Lennon, Ringo Starr und Klaus Voormann am Baß ist recht entspannt. Mit etwas Wohlwollen, welches aufzubringen ich durchaus gewillt bin, möchte ich dem Werk das Troubadix-Zitat zugestehen: „Nicht ohne künstlerische Qualitäten!“, aber die Quelle des Zitats sagt dann vielleicht doch etwas über die Genießbarkeit des Dargebotenen aus. Das Album umfaßt sechs ..äh.. Songs. Auf der CD-Veröffentlichung gäbe es noch Bonus-Tracks, aber so weit geht meine Liebe nicht. Und ich kann nachvollziehen, weshalb Beatles-Fans keine besonders hohe Meinung von Yoko Ono haben, sofern sie eben nur ins Plastic-Ono-Band-Album reingehört haben, selbst wenn sie Yoko nicht für das Auseinanderbrechen der Beatles verantwortlich machen. Nach diesem ersten Höreindruck werden sich die allermeisten die folgenden Alben Yoko Onos ansatzlos gespart haben. Das schlägt sich auch in der Veröffentlichungshistorie von Yokos Alben nieder. Während jedes einzelne Beatles-Album über Jahrzehnte hundertfach nachgepreßt, neuverlegt, remastert und auf den verschiedensten Tonträgern wiederveröffentlicht wurde, kennt Discogs für Yokos „Plastic Ono Band“ 31 Versionen. Und auch nur so viele, weil es im Erscheinungsjahr 1970 als LP in verschiedenen Ländern veröffentlich wurde, 1997 als CD erschien und 2016 nochmal ein Reissue erfuhr, wiederum in mehreren Ländern.
Ich habe Metallicas Lou-Reed-Album „Lulu“ überlebt, ich kann auch mit Yoko Ono umgehen. Nehme ich „Approximate Infinite Universe“ zum Maßstab, kann ich mir sogar gut eine Erweiterung der Sammlung vorstellen.
Nachdem Pink Floyd ihr Monumentalwerk „The Wall“ (1979) in den Jahren 1980 und 1981 mit einer monumentalen Bühnenshow im Rahmen einer kaum monumental zu nennenden Tour, welche nur die Weltstädte Los Angeles, New York, London und Dortmund berührte, zur Aufführung gebracht hatten, war das Bandgefüge endgültig zerrüttet. Richard Wright war nach den Studioaufnahmen zu „The Wall“ eigentlich eh schon gefeuert worden, durfte dann aber als bezahlter Session-Musiker die Tour begleiten, um für das Publikum die Illusion aufrecht zu erhalten, Pink Floyd, augenscheinlich auf dem Höhepunkt ihres kreativen Schaffens, seien noch Pink Floyd. Rick bekam also Geld für seine Auftritte, die restlichen Mitglieder zahlten drauf, weil das ganze Brimborium mit live auf der Bühne gebauter Mauer durch Herstellung, Transport und Aufbau während der Show in einer mietpreisintensiven Halle, die dafür ausreichend Platz bot, mehr kostete, als es einbrachte. Tja. Wright war nach der Tour jedenfalls raus, und es mußte schnell Geld her, weshalb 1981 rasch das Kompilationsalbum „A Collection of Great Dance Songs“ veröffentlich wurde, welches ich nicht besitze, wie ich söben feststelle. Soëben. Schad’t nix, denn enthalten sind eben nur alternative Mixe von „Shine on You Crazy Diamond“ und „Another Brick In The Wall (Part 2)“, außerdem „One Of These Days“, „Sheep“ und „Wish You Were Here“, sowie eine Neueinspielung von „Money“, die David Gilmour ohne Zutun seiner Bandkollegen vornahm. Das amerikanische Label Columbia Records erhielt nämlich von Capitol Records, die ursprünglich „DSOTM“ in den USA veröffentlicht hatten, keine Lizenz für die Verwendung dieses Songs. Nunja.
Im Jahre 1982 kam überdies die Filmadaption von „The Wall“, mit Bob Geldof in der Hauptrolle und Animationen von Gerald Scarfe, in die Kinos. Zusätzlich zu den Songs des Albums ist im Film auch das Lied „When the Tigers Broke Free“ enthalten.
The Final Cut
Pink Floyd waren nun also nur noch zu dritt. Das 1983er Album „The Final Cut“ trägt jedoch den Untertitel „A requiem for the post war dream by Roger Waters. Performed by Pink Floyd“. Ohne Rick Wright. Und das merkt man. War sein Keyboardspiel bisher integraler Bestandteil des Pink-Floyd-Sounds gewesen, so fehlt dies hier, was dem Album einen gänzlich ungewohnten Charakter verleiht. Zumal ja auch die Beiträge von David Gilmour und Nick Mason sich aufs Abspielen von Roger Waters‘ Kompositionen beschränken.
(In der LP-Version ist der Titel als Aufkleber auf dem Cover ausgeführt.)
Thematisch verarbeitet Roger Waters mit dem Album sein Trauma des im Krieg gebliebenen Vaters, nimmt also diesen Aspekt aus „The Wall“ wieder auf, zum Teil wurde Material verarbeitet, welches auf dem Vorgängeralbum keine Verwendung gefunden hatte. Der kriegskritische Tenor („Ténor“), sich ursprünglich aus der Thematisierung des Zweiten Weltkriegs speisend, war 1983 hochaktuell, denn just 1982 kämpfte Großbritannien mit Argentinien um die Falkland-Inseln und obsiegte. Dies wird, neben dem Afghanistan-Krieg und dem Nahost-Konflikt, in dem Sechszeiler „Get your filthy hands off my desert“ angesprochen. Angespielt werden soll hier jedoch das Titelstück „The Final Cut“, welches klingt, als könne es noch von „The Wall“ stammen:
Mein CD-Exemplar ist die „Digital Remasters“-Version von 1994. Auf neueren Veröffentlichungen des Albums ist zusätzlich „When the Tigers Broke Free“ enthalten, wodurch die Stellung von „The Final Cut“ als Continuatio von „The Wall“ augenfällig wird. Gleichzeitig ist das Album aber schon durch den Untertitel als De-facto-Soloprojekt von Roger Waters gekennzeichnet, und 1985 erfolgte schließlich der finale Schnitt durchs Tischtuch – Roger Waters verließ Pink Floyd. Es wurde schmutzig. Es sprachen lediglich noch die Anwälte von Waters und Gilmour miteinander. Waters versuchte, „Pink Floyd“ durch seinen Bandaustritt für offiziell und endgültig aufgelöst zu erklären, der Bandname sollte fürderhin nicht genutzt werden dürfen. Gilmour hatte diesem Ansinnen gänzlich widersprechende Ambitionen und bekam vor Gericht Recht. Seitdem zürnt Roger Waters. Seit 36 Jahren. Das ist fast dreimal länger, als es die Band überhaupt in ihrer klassischen Besetzung gegeben hat.
Works
Noch 1983 erschien ein weiteres Sammelalbum, „Works“, und zwar bei Capitol Records. Diese Plattenfirma wollte offensichtlich sowohl mit dem gegenwärtigen Pink-Floyd-Album „The Final Cut“ konkurrieren, als auch die Sammlung großartiger Tanzlieder (s.o.) kontern, die beide bei Floyds neuem US-Label Columbia Records erschienen waren. Die „Works“-CD hatte ich bei meinen Streifzügen durch die CD-Abteilungen von Karstadt und Saturn Ende der 1990er Jahre durchaus im Pink-Floyd-Fach stehen sehen, aber auch stets dort stehen gelassen, denn was interessierte mich eine Zusammenstellung von Songs, die ich ohnehin schon alle auf den zugehörigen Alben hatte? Gar nicht interessierte mich sowas. Einzig das Lied „Embryo“ kannte ich nicht, aber das dünkte mich nicht wert, eigens dafür diese CD zu erwerben.
Ich erwarb sie erst kürzlich, und natürlich nur wegen „Embryo“. Dieses Lied lernte ich erst durch Youtube kennen, wo ich mir Live-Darbietungen von Pink Floyd anschaute und -hörte. Dort tauchten eben auch Live-Versionen von „Embryo“ auf, offenbar aus den frühen 70er Jahren, aber eine Album-Version war mir nicht bekannt. Bis ich mich dieser „Works“-CD entsann, die ich immer verschmäht hatte. Also kaufte ich sie doch, und ich war enttäuscht. Denn die 4-Minuten-40-Studio-Version kommt bei weitem nicht an die 10-Minuten-Live-Jams heran, die bei Youtube kursieren:
Offenbar war dieser Song schon seit 1968 ein Dauerbrenner im Live-Set Pink Floyds gewesen, doch penetrant ließ man jegliche Gelegenheit verstreichen, ihn in irgendeiner Form auf einen Tonträger zu bannen. (Das stimmt nur bedingt. Harvest Records veröffentlichte „Embryo“ in der „Works“-Studioversion bereits 1970 auf dem Multi-Artist-Sampler „Picnic – A Breath of Fresh Air“, neben Songs von Deep Purple, Barclay James Harvest, Roy Harper und anderen.) Jedenfalls wäre die Live-Scheibe von „Ummagumma“ so eine Gelegenheit gewesen. Oder die „Relics“-Kompilation. Auch in Pompeji hätten sie’s spielen können. Aber nein. Offizielle Live-LPs waren bis hierhin, 1983, sowieso nicht Pink Floyds Sache gewesen. Außer der schon erwähnten Live-Scheibe von „Ummagumma“ gab die Diskographie nichts her. Den Pompeji-Film mußte man seinerzeit im Kino gesehen haben, ehe man ihn irgendwann physisch als DVD seiner Sammlung hinzufügen konnte, als Schallplatte wurde das ..naja.. „Konzert“ nicht veröffentlicht; und selbst „The Wall Live“ erschien erst im Jahre 2000 zum zwanzigjährigen Tour-Jubiläum. Was jedoch kursierte, waren Bootlegs. Und derer viele, wie die Fülle an Konzertmitschnitten auf Youtube zeigt. Um also die haptische Repräsentation einer Live-Darbietung von „Embryo“ in Händen halten zu können, mußte ich zu drastischen Mitteln greifen. Kunstpause, Spannungsaufbau. Ich kaufte eine Bootleg-CD.
Es ist eine Papphülle mit Papier-Inlay. Zwar steht Toshiba-EMI Limited drauf, inklusive EMI-Logo, doch bei Discogs ist der Handel dieser CD unterbunden, so verboten ist das! Enthalten ist ein Live-Mitschnitt von 1970, zu hören bekommt man „Green Is The Colour“, Careful With That Axe, Eugene“, „If“ und „Atom Heart Mother“, mit Bläser- und Chorbegleitung. Und eben „Embryo“:
Und weil ich grad dabei war, ersteigerte ich gleich noch eine Single-Zusammenstellung, weil ich ja noch nicht genügend Compilations mit ohnehin in meiner Sammlung befindlichen PF-Songs hatte. Auf der CD „The Pink Floyd – The Early Singles“ sind aber tatsächlich all jene Singles und B-Seiten enthalten, die auf den bisherigen Kompilationen so sträflich unbeachtet geblieben waren. Namentlich „Candy and a Current Bun“, „Apples and Oranges“, „It Would Be So Nice“ und „Point Me At The Sky“ sind hier erstmals auf CD erhältlich.
Ursprünglich war diese CD Teil des Box-Sets „Shine On“ von 1992, welches einige, aber nicht alle! Pink-Floyd-Alben bis zu diesem Zeitpunkt umfaßte. Wer sich sowas wieder ausgedacht hat! Die obige Single-Zusammenstellung ist quasi ein Extra-Gimmick in diesem Box-Set, und da ich sie einzeln kaufte, fehlt sie jetzt irgendjemandem. Einerlei. „Point Me At The Sky“ ist so early, daß es sogar noch nach den Beatles klingt:
Nachdem das Album „Dark Side of the Moon“ (DSOTM) im Jahre 1973 ein weltweiter Verkaufsschlager gewesen war, konnten sich die Jungs von Pink Floyd zunächst nur mit Mühe dazu aufraffen, sich abermals an die Arbeit zu einer weiteren Platte zu begeben, zu groß war die Last des Erfolgs. Aber half ja nichts, die Sache wollt’s. Im Januar 1975 überquerten die vier die Abbey Road, um das Studio zu entern.
Whish You Were Here
War DSOTM ein Konzeptalbum über die großen Fragen des Lebens gewesen, so gab sich Pink Floyd nun introspektiver. Den Hauptteil des Albums nimmt die Beschäftigung mit dem vormaligen Band-Kollegen und Freund Syd Barrett ein, welcher das zeittypische Rockstar-Leben der späten 60er Jahre nicht unbeschadet überstanden hatte. Kurz hatte sein Stern aufgeblitzt, hatte sein Talent als Song-Schreiber und Gitarrist zu mehreren erfolgreichen Singles und einem sehr beachtenswerten Debütalbum geführt, dann erlag sein einst wacher Geist dem Einfluß bewußtseins- ..nun ja.. -verändernder Drogen, und seine Persönlichkeit änderte sich in dem Maße, daß er für die Band als kreativer Inputgeber und verläßlicher Live-Musiker nicht mehr tragbar war. Zunächst holte man David Gilmour als zusätzlichen Gitarristen in die Band und spielte bei Auftritten um Syd herum, während dieser teilnahmslos an seinem Mikro stand. Da das kein akzeptabler Zustand war, holten die anderen vier ihn irgendwann gar nicht mehr ab und absolvierten die Auftritte ohne ihn. Zum zweiten Studio-Album steuerte er mit „Jugband Blues“ noch einen Song bei, dann wurde er gefeuert und führte fortan ein zurückgezogenes Leben in der Obhut seiner Mutter.
Der Umgang der verbliebenen Mitglieder Pink Floyds mit Syd Barrett war, gelinde gesagt, unglücklich. Halbherzig unterstützten sie ihn im Jahre 1970 noch bei der Produktion zweier Soloalben, dann brach der Kontakt weitgehend ab, unter dem Vorwand, das dies besser sei für Syd. Doch das schlechte Gewissen nagte, und das Schicksal des einstigen Freundes hing fortan wie eine Nemesis über dem Schaffen von Pink Floyd.
Im Jahre 1975 war das alles noch gar nicht so lange her, wie es aus heutiger Sicht scheint. Und dennoch. Während sie so im Studio saßen und musikalische Vergangenheitsbewältigung betrieben, fiel ihnen irgendwann ein Typ auf, groß, kahlgeschoren und aufgedunsen, den niemand zuordnen konnte. Bis sie schließlich – genau – Syd Barrett erkannten, der die Band besuchte, während sie an Songs über ihn arbeitete. Von großem Hallo und Wiedersehensfreude wird indessen nicht berichtet, die Situation war wohl vor allen Dingen awkward.
Das Album umfaßt vier Lieder, wiewohl der Song „Schine On You Crazy Diamond“ mit einer Gesamtlänge von fast 26 Minuten zweigeteilt wurde und als atmosphärische Anfangs- und Schlußsequenz die übrigen drei Stücke einrahmt. Als verrückter Diamant wird hier Syd Barrett besungen, man ahnte es. Die Songs „Welcome To The Machine“ und „Have A Cigar“ können als Abrechnung mit der Pattenindustrie aufgefaßt werden. Ersterer behandelt den zynischen Umgang der Produzenten mit den Ambitionen junger Musiker, denen man ein ausschweifendes Starrummelleben verspricht, was man ebenfalls – vielleicht überinterpretierend – auf Syd Barrett beziehen könnte. Der andere entlarvt die Musikbranche als das, was sie ist, nämlich weder an der Kunst interessiert noch an den Künstlern, sondern einzig am finanziellen Erfolg; und der ist umso größer, je weniger man in die Qualität der Musik investiert, nimm dir ’ne Zigarre! Als Gastsänger fungiert hier Roy Harper. Auf die Idee, Syd Barrett in die Produktion dieses Albums einzubeziehen, wo er doch schon mal da war, kam offenbar niemand.
Und während Syd also da saß, zugegebenermaßen nur einen Tag, und seinen alten Kollegen bei der Arbeit zusah, heißt der Titelsong „Wish You Were Here“. Der Text ist verklausuliert, aber die Titelzeile ist eindeutig. Selbst als er körperlich anwesend war, früher als Bandmitglied, nun als unerwarteter Besucher, so war er doch geistig ganz weit weg. Das war schockierend und traurig, aber irgendwie mußten Waters, Gilmour, Wright und Mason damit umgehen.
Der Song taugt auch ohne den Syd-Barrett-Kontext als – sagen wir – Liebeslied, und ist auch heute noch bisweilen im Radio zu hören, weshalb er neben „Another Brick In The Wall“, „Time“ und „Money“ zu den allgemein bekannteren Songs Pink Floyds zählt.
Und dann ist da ja noch Hipgnosis, die Graphikagentur, verantwortlich für unzählige ikonische Plattencover, unter anderem von Pink-Floyd-Alben. Der thematische Inhalt dieser Alben interessierte Storm Thorgerson und Kollegen selten, wenn es um die visuelle Repräsentation dieser Musik ging. Während Pink Floyd auf „Wish You Were Here“ gegen die Dämonen ihrer Geschichte antraten, machte Hipgnosis sein eigenes Ding.
Auf den vier Seiten der Plattenhülle – Vorder- und Rückseite der Außen- sowie Vorder- und Rückseite der Innenhülle – sind die vier Elemente dargestellt. Als ich vor langer Zeit die Bilder aufnahm, wußte ich noch nicht, was ich dazu schreiben würde, darum habe ich die Rückseiten nicht abgelichtet. Zu sehen sind Feuer und Luft (Wind). Als zusätzliches Gimmick lag der Schallplatte eine Bildpostkarte bei, die das Wasser-Motiv wiederholt:
Gewiefte Wicca-Praktizierende mögen die Verbindung sehen zwischen den vier Elementen und irgendwelchen Dämonen. Da hier die Darstellung des Elements „Erde“ fehlt, fügen wir es musikalisch in Gestalt eines Diamanten hinzu. Shine on!
Wie aus Band-Kreisen verlautbarte, war dies das letzte Pink-Floyd-Album, bei dem sich alle vier (aktiven) Mitglieder kreativ einbringen konnten. Insbesondere Rick Wrights Tasteninstrumente tragen weite Teile der Kompositionen.
Animals
Zwei Jahre später veröffentlichten Pink Floyd das letzte Album, welches vor meiner Geburt entstand, wenn auch knapp, immerhin im selben Jahr, 1977. An dieser Stelle müßte ich das Bild wieder hervorkramen, welches ich schon zuvor als Symbolfoto für Pink Floyd ver(sch)wendet hatte, das aber eindeutig dem Album „Animals“ zugeordnet ist:
Dieses Mal hat das Plattencover, wiederum gestaltet von Hipgnosis, einen deutlichen Bezug zum Inhalt des Albums. Schweine spielen eine Rolle. Und durch die vier Schornsteine wirkt die Battersea Power Station, das alte Londer Heizkraftwerk, wie ein auf dem Rücken liegendes, totes Tier. Gleichzeitig wird durch den Art-Deco-Stil des Gebäudes, steil und bedrohlich ausgeführt als „Ziegel-Kathedrale“, ein Gefühl des Unbehagens erzeugt. Dessen ungeachtet fand ich das Titelbild mit dem ersten Ansehen sehr schön, wie gemalt. In Vor-Internet-Zeiten kannte ich die Battersea Power Station natürlich gar nicht und hielt das Bild für ein Produkt der Phantasie. Aufgrund der optischen Attraktivität des Titelbildes war „Animals“ wahrscheinlich eine meiner frühesten Pink-Floyd-Erwerbungen.
Vor dem Hintergrund der Erwartungen, die sich aus meinen bisherigen Höreindrücken (Wall, DSOTM, Piper At The Gates Of Dawn) speisten, war ich beim Erklingen des ersten Songs zunächst etwas enttäuscht. „Pigs On The Wing“ ist ein kleines, akustisches Gitarrenstück, das alles vermissen ließ, was ich zu schätzen gelernt hatte: elegische Keyboard-Passagen, ausschweifende Gitarren-Soli, vernehmbaren Bass und elaboriertes Schlagzeugspiel. Doch ist es nur der Auftakt. Es folgt der Song „Dogs“. Dieser bietet alles, was ich erwartet hatte, bloß besser.
Thematisch lehnt sich „Animals“ an George Orwells „Farm der Tiere“ an, ohne jedoch eine direkte musikalische Umsetzung des Romans zu sein; vielmehr diente dieser Roger Waters als Inspiration für eine eigene sozialkritische Parabel. Oder Fabel. Die Hunde sind hier die rücksichtlosen, kapitalistischen Herrscher, Zyniker, die über Leichen gehen und am Ende einsam und verbittert zugrundegehen. 17 Minuten dauert das Lied. Es folgt „Pigs (Three Different Ones)“ mit 11 Minuten 20. Die Schweine sind hier die bigotten Politiker, denen man nicht über den Weg trauen kann, da sie nicht unsere Interessen im Sinn haben. Namentlich angesprochen wird Mary Whitehouse, eine konservative britische Aktivistin zur Entstehungszeit des Albums. Durch die Nennung des Namens ist der Song thematisch nicht unbedingt zeitlos, aber musikalisch über jeden Zweifel erhaben.
„Sheep“, ebenfalls über 10 Minuten lang, beginnt mit einem sehr entspannten Piano-Intro, für das Rick Wright eigentlich einen Writing Credit verdient gehabt hätte, welcher ihm aber verweigert wurde. Bis auf „Dogs“, für das David Gilmour einen Credit bekam, ist bei allen Songs des Albums nur Roger Waters als Autor ausgewiesen, eine Tendenz, die sich auf den folgenden Alben fortsetzen sollte. Die Schafe, um bei „Animals“ zu bleiben, sind natürlich die ahnungslosen Schafsköppe, die sich von den Hunden und Schweinen an der Nase herumführen lassen. Den Abschluß des Albums bildet die zweite Strophe von „Pigs On The Wing“. Erst im Zuge meiner recherchierenden Beschäftigung mit dem Album zur Vorbereitung auf diesen Artikel erfuhr ich, daß die 8-Track-Version von „Animals“ eine andere Version dieses Songs enthielt, sozusagen die Vollversion an einem Stück mit Gitarrensolo.
Als Höreindruck wählen wir mal „Sheep“, und sei es nur fürs Intro, offiziell von Pink Floyds Youtube-Channel:
Vor der Schlußbemerkung gönnen wir uns auch hier noch einen Blick auf die Schapllplatte. Auf ihr kommt das grandiose Titelbild naturgemäß besser zur Geltung, was hier im Internet freilich ohne Auswirkung bleibt. Die Innenhülle zeigt alle Songtexte in Nick Masons Handschrift.
Gegenwärtig ist das Gebäude in einem traurigeren Zustand, als es die Schwarzweiß-Fotos im Gatefold zeigen. 1977 war das Kraftwerk noch in Betrieb (bis 1983), die Maschinenhalle hatte noch ein Dach. Während der Aufnahmen fürs Plattencover riß sich der Schweineballon los und nahm Kurs auf Heathrow, Polizeihubschrauber nahmen die Verfolgung auf, ein Scharfschütze bereitete sich darauf vor, das Schwein brutal abzuknallen. Doch schließlich landete es auf einem Bauernhof in Kent, wo es die dort ansässigen animals und den freilaufenden Bauern in Aufregung versetzte.
Schlußbemerkung
Auf „Animals“ folgte „The Wall“ mit all dem Drama. Richard Wright nahm an den Aufnahmen teil, verließ die Band, wurde als bezahlter Tourmusiker für die Wall-Aufführungen engagiert und dann endgültig gefeuert. Das besiegelte das Ende der klassischen Periode im Band-Leben Pink Floyds. Dannach kam aber noch so allerhand, dem wir uns zu einem späteren Zeitpunkt widmen werden.
Für interessant erachte ich einen Blick auf die Sequenzierungen der einzelnen Alben, also auf die Song-Aufteilungen. Die ersten beiden Alben und die Soundtracks „More“ und „Obscured by Clouds“ sowie die Compilation-Albums sind da weniger auffällig. Sie enthalten der Reihe nach Songs von mehr oder weniger handelsüblicher Länge. Doch dann geht’s los:
„Ummagumma“ ist ein Doppelalbum, dessen erste Scheibe vier Live-Aufnahmen enthält, und dessen zweite Scheibe vier Solo-Beiträge der einzelnen Band-Mitglieder umfaßt, bzw. fünf, da Roger Waters zwei Songs beisteuerte. So weit, so ungewöhnlich.
„Atom Heart Mother“ füllt die komplette A-Seite mit dem über 20-minütigen Titelstück, auf der B-Seite befinden sich vier Songs von üblicher Länge.
„Meddle“ hat auf der A-Seite fünf „normale“ Songs, dafür füllt „Echoes“ mit über 20 Minuten die komplette B-Seite aus.
„Dark Side Of The Moon“ beinhaltet zwar neun Stücke von unauffälliger Länge, jedoch gehen diese ineinander über, so daß A- und B-Seite sozusagen jeweils einen einzigen Track von um die 20 Minuten enthalten.
„Wish You Were Here“ beginnt und endet mit dem ersten und zweiten Teil eines Songs, jeweils über 10 Minuten lang, dazwischen drei Lieder von üblicher Länge.
„Animals“ beginnt und endet mit dem ersten und zweiten Teil eines Songs, diesmal unter zwei Minuten lang, dafür umrahmt er drei Lieder von über 10 Minuten Länge.
Und „The Wall“ schließlich ist ein Doppelalbum mit einzelnen Songs, die aber einem durchgehenden Konzept folgen, deren Reihenfolge also nicht willkürlich ist.
Offenbar war die Band bemüht, die Sequenzierung abwechslungreich zu gestalten und Wiederholungen zu vermeiden. Wäre „Shine On You Crazy Diamond“ nicht geteilt worden (wie David Gilmour es bevorzugt hätte), hätte sich die formale Wiederholung von „Atom Heart Mother“ oder „Meddle“ ergeben. Und „Pigs On The Wing“ in der Vollversion wäre nur ein uspektakulärer Song neben drei spektakulären Zehnminütern gewesen, so jedoch kommt ihm als „Bookends“ eine Rahmenfunktion zu. Das kann alles kein Zufall sein. Oder vielleicht auch doch. Gute Nacht!
Huch! Es ist ja schon fast ein Jahr her, daß ich mich retrospektv mit Pink Floyd auseinandergesetzt habe. Wo ist die Zeit geblieben? Die Band hätte eine Antwort in Form des Liedes „Time“, enthalten auf dem Album „Dark Side Of The Moon“, welches erst nach den nun zu besprechenden Werken an der Reihe wäre, aber bereits zuvor beleuchtet wurde. Welch tückisches Zeitkonzept, mein Leben ist ein Tarantino-Movie! (Nein, Gottlob nicht.)
Meddle
Zunächst beeindruckte mich an diesem Album von 1971 das Bild auf dem Cover, welches ich lange nicht deuten konnte. Ich will auch nicht behaupten, daß ich von selbst drauf gekommen sei, was dieses abstrakt wirkende Gebilde darstellen soll: Es handelt sich um ein Ohr, unter Wasser. Gestaltet wurde es natürlich von Hipgnosis, und entgegen deren Gewohnheit hat das Bild einen Bezug zum Inhalt des Albums, insbesondere zum letzten Stück. Allerdings machten es die nicht klar definierten Konturen des Bildes schwierig, es sauber auf digitales Zelluloid zu bannen, weshalb ich eine Lego-Figur als Anhaltspunkt für den Fokus der Kamera neben die CD stellen mußte.
Vielleicht lag das aber auch an der glänzenden CD-Box, denn bei der Aufnahme der Plattenhülle trat diese Schwierigkeit nicht auf.
„Meddle“ beginnt geradezu mit Metal, just im Jahr zuvor unbewußt von Black Sabbath erfunden, und mit einer Kampfansage. Getrieben von Double-Bass-Rhythmen – und ich spreche hier in der Tat von zwei Saiteninstrumenten, nicht vom Schlagzeug – grunzt Nick Mason ins Mikro: „One of these days I’m going to cut you into little pieces“. Das ist des Drummers einziger Wortbeitrag im Œuvre Pink Floyds. Auf diesen harten Beginn folgt das lieblich dahinsäuselnde „A Pillow of Winds“, und der Song „Fearless“ mündet in Stadiongesängen aus Liverpool, woselbst „You’ll never walk alone“ zum Besten gegeben wird, was ich ja meinerseits aus dem Westfalenstadion kannte. „San Tropez“ ist jazzig angehaucht, und Gastsänger in der Bluesnummer „Seamus“ ist der Hund Seamus, der ins Mikro jault. Daß Pink Floyd das lustig genug fand, um es auf dem Album zu verewigen, mag wiederum auf Drogenkonsum zurückzuführen sein, ich jedenfalls fand das beim ersten Durchhören etwas nervig. Prompte Entschädigung erfolgt freilich unmittelbar in Form des letzten Liedes. Beim Blick auf die Titelliste der CD hatte ich mich noch gewundert: Wie, bloß sechs Songs? Aber der Höhepunkt, „Echoes“, bringt es alleine auf 23 Minuten und 29 Sekunden, und die haben es in sich. Es beginnt mit einem Echolot-Ton und ist szenarisch unter Wasser angesiedelt, was das Titelkupfer erklärt. Prinzipiell ginge das Lied auch noch als Spacerock durch, aber von diesem Image wollte die Band sich lösen, weshalb sie eben das Thema vom Weltraum in den Ozean verlegte. Hat aber nichts genützt, denn nebenan im Internet lassen sich Videos finden, in denen dieses Lied unter die psychedelische Jupiter-Episode in „2001 – A Space Odyssey“ gemischt ist. Paßt.
Als Höreindruck möchte ich dennoch „One Of These Days“ verlinken, zur Verfügung gestellt auf Pink Floyds höchsteigenem Youtube-Kanal:
Zu „Echoes“ kommen wir aber später noch mal.
Obscured By Clouds
Im Jahre 1972 waren die Jungs nicht ausgelastet mit Touren und Studioarbeiten zum nächsten Album (Spoiler Alert: „Dark Side Of The Moon“), also widmeten sie sich zusätzlich Nebenprojekten. Zum Beispiel wollte Barbet Schroeder (immer noch ein Männername!) nach den guten Erfahrungen, die er mit dem Soundtrack zu seinem Film „More“ gemacht hatte, für seinen neuen Film „La Vallée“ abermals Musik von Pink Floyd haben. Und die bekam er. Pink Floyd ließen sich nicht lumpen und schrieben innerhalb von zwei Wochen zehn Lieder, davon vier Instrumentalstücke. Somit wurde dieser Soundtrack ihr nächstes Album, und eben nicht DSOTM, aber was soll’s. Noch vor der Veröffentlichung zerstritt die Band sich mit der Filmfirma (Kann eigentlich nur ums Geld gegangen sein…) und benannte darob ihr Album nicht wie den Film, woraufhin der Albumtitel kurzerhand zum Untertitel für den Film wurde. Mancher Musiker hat seine Karriere dem Umstand zu verdanken, Musik zu einem berühmten Film beigesteuert zu haben. Und mancher Film erhofft sich Erfolg, wenn er sich mit musikalischen Beiträgen berühmter Musiker schmücken kann. Dreimal darf man raten, welcher Fall hier vorliegt?
Nun, ich habe den Film gesehen, er ist auf Französisch mit deutschen Untertiteln verfügbar, also klassisches „arte“-Material. Es geht um eine Gruppe Hippies auf dem Selbstfindungstrip in Neu-Guinea, die ein geheimnisvolles Tal erkunden will, das auf Karten nicht verzeichnet ist, und von dem es auch keine Luftaufnahmen gibt, weil es ewig wolkenverhangen ist, obscured by clouds. Ihnen schließt sich eine gelangweilte Diplomatengattin an, welche gerne illegal Schwanzfedern von Paradiesvögeln erwerben möchte. Diese sind sehr schwer erhältlich, nur von Eingeborenen, mit denen sie in Kontakt zu treten und deren Vertrauen sie zu gewinnen hofft, um ihnen so die Federn abgaunern zu können. Außerdem gibt’s Hippiesex.
Das Album war erstaunlich erfolgreich, insbesondere auch die Single-Auskopplung „Free-Four“, vor allem in Amerika, was möglicherweise an dem gewissen Country-Charme liegt, den einige der sehr akustisch beklampften Songs versprühen. Es ist melodisch und gefällig, allerdings wurde erkennbar kein Pulver verschossen, sondern dieses wurde hübschfein aufgespart für das eigentliche nächste Album, mit dem Waters, Gilmour, Wright und Mason schon gedanklich beschäftigt waren (Spoiler Alert: DSOTM). Brillante Momente gibt es natürlich trotzdem, es sei verwiesen auf „Childhood’s End“:
Live at Pompeii
Und apropos Film. Da die Jungs ja nicht ausgelastet waren, fanden sie auch noch Zeit, nebenbei einen Konzertfilm zu drehen, wobei es zu einfach gewesen wäre, schlicht ein reguläres Konzert abzufilmen. Dergleichen gab es ja schon, zum Beispiel den Woodstock-Film. Regisseur Adrian Maben hatte die Idee, Pink Floyd beim Musizieren im Amphitheater von Pompeji abzufilmen. Ohne Publikum. Weil: Warum nicht? Gegen einen beträchtlichen Obolus in unnotierten Sesterzen wurde also für sechs Tage das Theater gemietet, und innerhalb dieser Zeit mußten die Aufnahmen im Kasten sein. Stell dir vor, du bist Tourist in Italien, hast einen Tag Sightseeing in Pompeji eingeplant und darfst nicht in die Arena. Stehste also davor und hörst drinnen Pink Floyd spielen. Kann geil sein, kann aber auch scheiße sein. In manch einem Urlauber wird es da gebrodelt haben wie in einem Vulkan.
In den sechs Tagen wurden die Darbietungen von drei Songs gefilmt. Drei weitere Songs wurden live in einem Studio in Paris gefilmt. What the bloody fuck? Ein Konzert? Sechs Songs? Angeblich live in Pompeji, aber eigentlich zur Hälfte in einem Studio ganz woanders?
Das klingt alles nach ziemlichem Behupps, aber es ist trotzdem toll. Denn seien wir mal ehrlich. Es mag ja künstlerischer Anspruch sein, Aufnahmen von pompejischen Ruinen und rauchenden phlegräischen Feldern mit Livebildern von Pink Floyd bei der Arbeit zu kontrastieren, wie hier vorgeführt, aber letztlich will man ja doch nur Pink Floyd bei der Arbeit sehen und hören, und da ist es auch egal, was dem als Kulisse dient. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, haben Live-Mitschnitte von Pink-Floyd-Konzerten jener Tage viel mehr Biß und Verve als die Studio-Versionen derselben Songs, daher ist es schön, hier auch mal professionell gefilmte Bewegtbilder davon zu sehen.
Ins Kino kam 1972 Eine Fassung mit den Stücken „Echoes“, aufgeteilt in zwei Hälften als Intro und Outro, „A Saucerful Of Secrets“ und „One Of These Days“, welche in Pompeji gefilmt wurden, sowie „Careful With That Axe, Eugene“, „Set The Controlls For The Heart Of The Sun“ und „Seamus“, hier aber „Mademoiselle Nobs“ geheißen, weil der Hund Seamus für die Dreharbeiten nicht zur Verfügung stand und gedoubelt werden mußte. Pink Floyd waren echt vernarrt in diese Hundegejaule-Idee. Sie hätten ja stattdessen auch mal „Embryo“ spielen können, aber nee.
Im Jahre 1974 wurden zwischen die einzelnen Songs Behind-the-scenes-Aufnahmen von der Studioarbeit am Album „Dark Side Of The Moon“ geschnitten, welche aber zum Teil nachgestellt waren. In der 2003er DVD-Version, dem „Director’s Cut“, ist die Reihenfolge der einzelnen Songs und DSOTM-Segmente etwas verändert. Der originale Konzertfilm ohne Zwischengeplänkel ist als Extra aber zu meinem Plaisier ebenfalls enthalten.
„Echoes“ wurde für den Film zweigeteilt, was nicht schlimm ist, denn so rahmt das Beste, was Pink Floyd je gemacht haben, anderes Gutes, was sie auch gemacht haben, harmonisch ein. Hier also Teil 1:
und Teil 2:
Als nächste Veröffentlichung im Jahre 1973 würde dann – es wurde hier ja schon zaghaft angeteasert – „The Dark Side Of The Moon“ folgen. Aber davon hatten wir es ja schon.