Das Jahresprojekt „205“ nähert sich dem Ende; es kommt zur Entscheidung. (Im Hintergrund rührt ein gedungener Perkussionist gelangweilt die Trommel zum Wirbel.) 105 drollige Möglichkeiten wurden uns versprochen, und angesichts des Posters dachte ich: „Das sind doch bestimmt viel mehr!“ Klar, es sieht mehr aus, weil viele Baumöglichkeiten mehr als eine Figur einbeziehen. Sofern ich mich nicht verzählt habe, wurden 140 Figuren gebaut. Zu guter Letzt noch diese:
„Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fällt er in den Graben, dann fressen ihn die Raben!“ Kinderreime legten offenbar nie viel Wert auf unverletzte Kinderseelen. Oder aber Kinderseelen sind viel strapazierfähiger, als die Löwenmütter unserer sicherheitsfana- tischen Gesellschaft annehmen.
Huchnein! eine Dame im Kleid. Mir ist so, als hätte es so etwas bereits zuvor als Bauvorschlag gegeben. Na, hilft ja nichts, jetzt müssen wir uns hier wieder viele Worte aus den Fingern saugen, um den Platz neben dem Bildchen zu füllen. Der rote Brustring gemahnt an den VfB Stuttgart, aber was sollte der mit Lego zu tun haben? Nichts, genau.
Vor uns sehen wir, wie die nette Kindertante versucht, einem kleinen Mädchen im Hochstühlchen leckeren gesunden Hustensaft zu verabreichen. Doch die Kleine ist bockig; wer mag es ihr verdenken. Im Stuhl fixiert zu sein und süßlich-ekligen, künstlich-rosanen Seim schlucken zu müssen – nä!
Der größte Mann der Welt, der dickste Mann der Welt und …ähm… noch einer. Oder eine. Vielleicht ist das ja auch die Frau mit dem Bart. Auf dem Ideenposter betrachten sie einen weiteren Artisten, ihnen zu Füßen Turnübungen machend.
Diesen beleibten Kirmesartisten nämlich. In seiner blauroten Streifigkeit wirkt er wie der ungleiche Zwillingsbruder des dicksten Mannes der Welt. Und er hat es mit seiner Vorführung immerhin auf den Karton des Sets geschafft, wenn auch nur auf die lange Unterseite.
Herr und Hund. Oder Hirte und Hammel. Zu diesem traulichen Paar müßten wir uns jetzt wieder irgend- etwas aus den Fingern saugen. Daß es sich um einen bulgarischen Dönerzulieferer handelt, zum Beispiel. In landesüblicher Volkstracht.
Tai-Chi. Ich weiß nichts darüber. Außer, daß Milliarden und Aber- milliarden Chinesen jeden Morgen im Park stehen und diese langsamen Kampf- bewegungen ausüben. Wie auch dieser junge Mann in roter Hose. Er tat dies jedoch am Nachmittag auf meinem Schreibtisch, nicht im Park. Und ob er Chinese ist, ist zweifelhaft.
Nackte Füße? Gelbe Gummistiefel? (Alliteration nicht intendiert.) Bademantel? Morgenrock? Nachthemd? Regencape? Sommerkleid? Mit Hose drunter? Herbst- kleid? Mit Hose drunter? Winterkleid? Mit Hose drunter? Frühlingskleid? Mit Hose drunter? Die Maid kratzt sich verwirrt am Kopfe. Weißer Gürtel. Aber kein Kampfsport. Ach, egal. Irgendson Mädchen halt wieder.
Und wo wir gerade dabei sind, geht es direkt mit einer Kleidträgerin weiter, stilvoll in weiß und schwarz gewandet. Für „Polka dots“ sind die schwarzen Punkte freilich zu groß, also sind es nur irgendwelche Flecken. Zum Glück hat das Gewürge nach beschreibenden Worten demnächst ein Ende, denn das ist nun schon die hundertste drollige Baumöglichkeit.
Darum schieben wir rasch noch ein Tanzpaar ein, ehe es zu spät ist. Das ist jetzt mindestens schon der letzte Tanz. Ein letztes mal ekstatisch dem Rhythums der Musik folgen, und dann, immer noch euphorisiert… Wie vermehren sich eigentlich Lego-Figuren? (Das Wort „Schwänzeltanz“ scheint vordergründig hier in den Zusammenhang zu passen, ist aber lediglich die Methode, mittels derer Bienen den Weg zur Futterquelle weisen.)
Die Marktfrau und der Marktmann stehen auf dem Ideenposter in einer engen Beziehung zueinander, müssen jedoch als zwei getrennte Drolligkeiten aufgefaßt werden, da sie dasselbe (d. h.: das identische) Kopfteil verbrauchen.
Ein … äh … Kajak. Nee, ein Kanu! Oder so. Jedenfalls ein Schirmmütze tragender Wassersportler. Wird Zeit, daß demnächst wieder Olympische Spiele stattfinden, um auch solche Randsportarten wieder auseinanderhalten zu lernen.
Mit dem spektakulären Stunt dieser zwei Akrobaten endet der Streifzug durch das Set 205. Nicht, weil wir 105 Möglichkeiten durchgebaut haben und einfach aufhören, sondern weil in der Tat das Poster „alle“ ist. Es waren wirklich 105 drollige Möglichkeiten. Ob in jedem Einzelfall unsere Zählweise der von Lego entspricht, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls haben wir nur solche Figuren zu einer Gruppe zusammengefaßt, die gleichzeitig mit den Mitteln des Sets baubar sind und die sinnvollerweise zueinander in irgendeiner Beziehung stehen. Also mag das schon hinhauen. So oder so ist es ein schönes Set, das viele Möglichkeiten bietet – auch mehr als 105.
Für nächstes Jahr suchen wir uns dann ein anderes Projekt, Ideen habe ich schon. (Was heißt hier „schon“? Das nächste Jahr ist ja nicht mehr fern.)
Frohe Weihnachten!