Bessere Freunde.

26. März 2012

Legos etwas gespaltenes Verhältnis zum weiblichen Teil seiner Zielgruppe ist ja inzwischen legendär. Mythenumwoben und geheimnisvoll ist es, mystisch, auf jeden Fall aber unverständlich. Jungs wollen bauen, stellten sie in Billund fest, und zwar Autos! Darum lieferten sie den kleinen Ingenieuren Räder, Räder, Räder und Zahnräder. Aber Mädchen, ja Mädchen, die wollen irgendwas anderes, wahrscheinlich Puppen. Dem trug man ab 1971 Rechnung, indem man die Puppenhausmöbel ins Programm nahm, und zwar ausdrücklich für „das kleine Mädchen mit der grossen[!] Phantasie“, wenngleich der so betitelte Katalog erst im Jahre 1974 die Geburt der passenden Lego-Püppchen anpreist, die der Großköpfe nämlich. Das war ja auch soweit nicht verkehrt. Ein weiterer Versuch, die kleinen Mädchen zu umgarnen, waren 1979 die Scala-Schmucksets, eine Idee, die später noch einmal mit den Clikits-Schmucksets aufgegriffen wurde, während der wohlklingende Name „Scala“ 1997 für einen Barbie-Verschnitt mißbraucht wurde, der mit Lego nicht mehr viel zu tun hatte, aber mal wieder die kleinen Mädchen in die Zielgruppe des Konzerns integrieren sollte. Für einige Jahre zeitgleich blies die Belville-Reihe ins selbe Horn, mit ähnlichen Figuren, aber etwas Lego-gerechter, insofern die Belville-Häuser wenigstens mit Hilfe althergebrachter Lego-Noppen zusammengehalten wurden. Es ist wohl nicht allzu weit hergeholt, auch der Fabuland-Reihe mit ihren niedlichen Tierfiguren zu unterstellen, vor allem die kleinen Mädchen ansprechen zu sollen.

All diesen Serien ist gemein, daß sie nicht auf die Minifig als identifikationsstiftende Spielfigur setzten. Zugegeben, 1974 gab es die Minifig noch gar nicht, aber seit 1978 ja schon. Zunächst wurde in der Minifigwelt neben den Rittern und Raumschiffen und Bauarbeitern, die (jaja, Klischee) sicher vor allem auf die Gunst der kleinen Jungs abzielten, ja auch den Mädchen eine Möglichkeit gegeben, sich wiederzufinden. Es gab eingerichtete Wohnhäuser, sogar einen Ponyhof (jaja, Klischee), aber die Action-lastigen Modelle waren stets in der Mehrheit. Ausdrücklich weibliche Minifigs waren ebenfalls rar gesät, wenngleich man einem Polizisten mit Mütze natürlich nicht ansah, ob es sich um eine männliche oder eine weibliche Figur handelte, denn alle hatten dasselbe freundliche Smiley-Gesicht. Ob Mädchen sich tatsächlich nur wenig für die Minifigwelt interessierten, vermag ich nicht zu beurteilen, aber im Jahre 1992 startete Lego einen weiteren Versuch, dieses Interesse zu wecken. Die Paradisa-Reihe setzte vermehrt auf erkennbar weibliche Minifigs, auf Strandvergnügen und Ponyhofromantik – und auf die Farbe rosa! Dieser Kotau vor dem Barbie-Kitsch erboste mich damals sehr; da wußte ich halt noch nicht, was noch kommen sollte (Scala, Belville, Clikits). Immerhin, Paradisa, das waren noch Minifigs.

Seit Anfang des Jahres stehen also nun die Friends-Sets in den Läden. Natürlich, in dieser Mädchen-Welt namens „Heartlake City“ geht es wieder um niedliche Tiere, um Freizeitgestaltung und um den Traum, ein Popstar zu werden; und das Farbschema setzt auf pink, violett und Pastelltöne. Soll sein! Und so nah an der Minifigwelt war Legos soundsovielter Mädchenversuch auch seit Paradisa nicht mehr, denn die Proportionen von Autos und Gebäuden sind nicht weit von dieser Welt entfernt. Und dennoch: knapp vorbei. Denn die Friends-Figuren sind eben keine Minifiguren, sondern ziemlich magere Frisurmodels (ohne jetzt den Bulimievorwurf lautwerden lassen zu wollen). Warum, so frage ich mich, dürfen Mädchen nicht mit Minifigs spielen? Warum sollen sich Mädchen und Jungs nicht in einer gemeinsamen Lego-Welt aufhalten? Na gut, wahrscheinlich tun sie das trotzdem, aber dann bitteschön klar unterscheidbar! Minifigs für die Jungs, irgendwas anderes für die Mädchen.

Meinetwegen. Mädchen wollen rosa und lila und Blümchen und Kleidchen und Pferdchen. Was soll ich mich dagegen sträuben, ich bin ja kein Mädchen. Sollen sie. Und soll Lego diesem Verlangen halt nachgeben. Wie man dies im Rahmen eines Minifig-zentrierten Themas tun könnte, zeigt Lego sogar selbst, denn es gibt solche Figuren. Meiner Ansicht nach wären dies die besseren Friends gewesen:

Weiterhin unverständlich bleibt, warum Lego solche Minifigs immer in irgendwelchen kaum beachteten Randsets versteckt, nummerntlich in den Creator-Sets 5508 und 4625.


„Soll Produkt rein?“

24. März 2012

Häh?

Mit Friseuren zu kommunizieren, ist echt nicht einfach. Das geht schon mit der Frage los: „Wie soll’s denn geschnitten werden?“ Ja kurz, halt. Gründend auf langjährige Erfahrung habe ich mir inzwischen eine Anweisung zurechtgelegt: Sommerlich kurz (ja, auch im Herbst), Ohren frei, Nacken anschneiden. Die meisten Figaros schaffen es dann, tatsächlich – wie verlangt – die Haare zu kürzen. Manche hingegen wollen noch irgendwie ihrer kreativen Seite Ausdruck verleihen und stellen unsinnige Fragen, wie eben: „Soll Produkt rein?“ Häh? Ja, ich wiederhole mich. Es dauerte aber auch einige Bruchteile einer Sekunde, bis ich schnallte, was gemeint war, und antworten konnte: „Nee, nich’ nötig.“ Als ob Haargel geeignet wäre, aus meinen Haaren eine Frisur zu machen; da ist die genetische Disposition vor. Von der Krankenkasse wird es nicht anerkannt, aber ich bin haarbehindert. Und dann kommt der Friseur und foppt mich!

Draußen zwitschert’s. Frühling!


Buch der Woche: Il milione

10. März 2012

Welcher verknöcherte Rohrstockpädagoge hat eigentlich die Behaup- tung aufgestellt, Comics seien Schund und würden die Kinder daran hindern, Bildung in sich einzusaugen? Ich persönlich habe meine ganze – naja, einen wahrnehmbaren Teil – meiner Bildung aus Comics. Und durchaus nicht nur aus Asterix, dem die Lateinlehrer ja zumindest noch eine Gateway-Funktion zuschreiben. Nein, auch Lustige Taschenbücher sind geeignet, den Horizont des Lesers zu erweitern. Warum auch nicht. Immerhin ist Dr. Erika Fuchs, in Deutschland weltberühmt für ihre Donald-Duck-Übersetzungen, sicher nicht zu Unrecht Inhaberin ihres akademischen Grades. Und der langjährige Chefredakteur des ehapa-Verlags, Adolf Kabatek, ließ seine persönliche Bildung auch gerne in die von ihm betreuten Comic-Ausgaben einfließen. Aber auch die Vorlagen der gar lustigen Taschenbücher orientieren sich thematisch oft an Literatur- und Kulturgeschichte. So!

Im Jahre 1987 griff das 119te LTB Marco Polos Reisebeschreibung „Il milione“ auf und versetzte diese nach Entenhausen. Genauer gesagt in Onkel Dagoberts neues Filmstudio, für das er sich von Micky Maus kostengünstig (= -los) das Drehbuch für einen prestigeträchtigen Debutfilm schreiben läßt. Es ist ein Technicolor-Film, denn sensationeller- weise sind seit jener Ausgabe 119 die Lustigen Taschenbücher auf jeder Seite farbig. Besetzt wird der Film natürlich mit Familienmitgliedern.

Der Venezianer Marco Polo reist mit Vater und Onkel entlang der Seidenstraße durch den vorderen und mittleren Orient, um schließlich fern von Entenhausen eine geraume Zeit am Hofe des Mongolen- herrschers Kublai Khan zu verbringen. Die wackeren Enten erleben viele Abenteuer, sehen merkwürdige Dinge und erwerben uner- meßliche Reichtümer, ehe sie die Heimreise antreten. Zu Hause angekommen, können sie von fadenförmigen Nudeln berichten, von Geld aus bedrucktem Papier, von Feuerwerk und einer Nadel, die immer in dieselbe Richtung weist. Spannend und informativ ist das alles, nicht nur für Marcos Zuhörerschaft, sondern auch fürs comiclesende Kind.

Und was ist die zweite Säule einer erfolgreichen Kindererziehung? Richtig, Lego. Lego setzte fast 750 Jahre später seine eigene Orient-Expedition ins Werk. Die Reiseroute Johnny Thunders, der Hauptfigur in Legos Abenteurerserie, erinnert stark an Marco Polos Weg durch Asien und führt ebenfalls nach China. Denn natürlich haben auch die Set-Entwickler im Hause Lego Marco Polos Reisebericht „Il milione“ gelesen, zumindest aber das Lustige Taschenbuch.

Die einzelnen Teile der Karte entstammen in der gezeigten Reihenfolge den Sets 7418, 7417 und 7419. Gute Reise!