
Der Pokal habe seine eigenen Gesetze, heißt es. Weil nämlich – zumindest im Modus des deutschen Vereinspokals – pro Runde nur ein Spiel bestritten wird, kann durch einen enormen Kraftakt auch mal ein „Kleiner“ über einen „Großen“ triumphieren. Das geschieht zwar auch im Liga-Betrieb nicht selten, hat aber nur im Pokal-Wettbewerb unmittelbare Auswirkung, eben das Ausscheiden der einen Mannschaft und das Weiterkommen der anderen. Seit 1935 gibt es in Deutschland einen Pokalwettbewerb, zunächst bis 1943 den sogenannten Tschammer-Pokal, benannt nach dem damaligen Reichssportführer, dann wurde 1952 nach einer kriegsbedingten Unterbrechung der Wettbewerb als DFB-Vereinspokal wieder aufgenommen. In all den Jahren hat sich die ruhmreiche Borussia aus Dortmund als vorbildlich gesetzestreu bewiesen und regelmäßig gegen unterklassige Gegner die Segel gestrichen, meist noch vor der Winterpause. Dieses Jahr konnte der BVB erst zum fünften Male überhaupt ins Finale vordringen.
Bereits im ersten Anlauf 1963 bot sich die Chance auf den Double-Gewinn, doch der Deutsche Meister Borussia Dortmund mußte sich dank dreier Tore Uwe Seelers dem HSV geschlagen geben. Zwei Jahre später jedoch konnte der BVB das Finale gegen Alemannia Aachen tatsächlich gewinnen und somit als erste Mannschaft die damals neugeschaffene Trophäe entgegennehmen, die 1965 endlich den alten Nazi-Pokal abgelöst hatte. Im Jahr drauf folgte sogar noch der Sieg im Europapokal der Pokalsieger, dann aber lange nichts. Erst 1989 gelang erneut der Finaleinzug (Sieg!), dann erst wieder 2008 (Niederlage).
So kommt es, daß ich mir den Namen Borussia Dortmund im Zusammenhang mit Pokalsiegen fast gar nicht vorstellen kann. Diesbezügliche Schlagzeilen fanden so gut wie nie statt, zu meinen Lebzeiten einmal nur, und da war ich 12 Jahre alt. Ein Double kann ich mir überhaupt nur beim FC Bayern vorstellen. Vielleicht rührt daher mein schlechtes Gefühl im Hinblick aufs bevorstehende Finale heute Abend. Die ganze Saison über war ich zuversichtlich, hielt die Meisterschaft für möglich und wunderte mich über das Ausbleiben des mir eigenen Zweckpessimismus’. Aber nun hat er sich endlich eingefunden, na prima.
Mit Blick auf die Pokalgeschichte wäre also der BVB der „Kleine“, der überraschend gegen die großen Münchner, die 15maligen Pokalsieger, gewinnen könnte. Auf dem Weg ins Finale hat Dortmund aber ausnahmslos unterklassige Mannschaften ausgeschaltet, was ja den eigenen Gesetzen des Pokals ebenso deutlich widersprach wie der Dortmunder Pokalhistorie.. Gleichzeitig wäre der Deutsche Meister ja auch im Finale gegen die Bayern (ausnahmsweise mal nicht Meister) keineswegs als „Kleiner“ zu bezeichnen. Wie man es auch wendet, es gibt in diesem Finale keinen Kleinen, nur zwei Große. Anarchie! Die Pokalgesetze sind nicht anwendbar! Und jetzt?
Bleibt uns noch das Gesetz der Serie. Borussia hat die letzten vier Spiele gegen die Bayern gewonnen. Aber wie lautet jetzt das auf diese Serie passende Gesetz? Es wird ein fünfter Sieg hinzukommen? Es ist an der Zeit, daß die Serie reißt? Herrje! Eine Statistik bedeutet für den Einzelfall nichts. Seriengesetze sind also Humbug. Es nützt alles nix, wir müssen schlicht den Ausgang des Spiels abwarten, auch wenn’s schwerfällt. Vor lauter Nervosität versuche ich ja schon, die Zeit bis zum Anpfiff mit diesem sinnlosen Artikel zu überbrücken. Ich hätte mir das Nägelkauen nicht abgewöhnen sollen.
Kleiner Nachtrag:
Hat ja dann doch geklappt.