Der „Schatz der Halben Münze“ ist der Comic, den Lego 1989 zum Start der Piraten-Serie zeichnete. Und das gar nicht mal schlecht, bedenkt man, daß das Zeichnen von Comics nicht Legos Haupt- erwerbszweig ist. Viel falsch machen konnten sie aber auch nicht, denn die Geschichte hangelt sich an den Sets des Geburtsjahrgangs entlang und bedient dabei annähernd jedes Piraten-Klischee, das man aus den Technicolor-Filmen kennt.
Zunächst kapert Käpt’n Roger (Mit rotem Bart aber nicht mit rotem Haupthaar. Hm.) mit seiner Piratenbrigantine 6285 die Gouver- neurs-Kogge 6274, erbeutet so allerlei wertvollen Krims, aber auch einen Affen, der eine halbe Münze am Halsband trägt. Die Stammbaumpapiere läßt er über Bord werfen, weil: Ist ja nur Papierkram. Hätte er mal nicht! Denn diese Papiere hätten wahrscheinlich Aufschluß darüber gegeben, was es mit dieser halben Münze auf sich hat. Heimgekehrt auf seine Pirateninsel 6270, die allerdings im Buch etwas dörflicher daherkommt als im Set, erfährt er von einem alten Seemann die Geschichte dieser halben Münze und vor allem, wo die andere Hälfte zu suchen sein müßte. Natürlich weist die Münze den Weg zu einem Schatz, und natürlich muß auch noch das Gouverneurskastell 6276 ins Spiel kommen, darum liegt diese halbe Münze im Kerker des Kastells versteckt, da ihr letzter Besitzer dummerweise als Pirat gehenkt wurde. Halt, nein, die Geschichte ist ja für 12jährige geschrieben, also wurde jener Pirat nicht hingerichtet, sondern nur nach Europa geschickt, um dort verurteilt zu werden. (Zum Tode, aber pssst!)
Gemeinsam mit seinem Schiffsjungen Willy begibt sich Käpt’n Roger also nach Port Royal, der Hauptstadt des Gouverneurs, um mal zu sehen, was geht. Nebenbei erfahren wir so, daß sich das Geschehen vor dem Jahr 1692 abgespielt haben muß, was zwar nicht zur Kostümierung der Protagonisten paßt, aber danach war die Stadt im Meer versunken. Nun denn. In Port Royal wird Willy gefangengenom- men, findet im Kerker die halbe Münze, verliebt sich in Camilla, die Nichte des Gouverneurs, – denn ein bißchen Romantik muß ja auch sein, nöch? – und wird schließlich mithilfe von Dynamit (haha! 1692!) durch den treusorgenden Käpt’n, der seine Männer und seine Schätze nicht im Stich läßt, befreit. Auf geht’s zurück zum Schiff!
Wie gesagt bedient der Comic so ziemlich jedes Piratenfilmklischee. So kommt es denn, wie es in solchen Fällen immer kommt: Das Schiff wurde inzwischen von einem rivalisierenden Piraten, einem gewissen Käpt’n Baddog, geentert, der ebenfalls Wind von dieser halben Münze bekommen hatte. Roger und Willy tappen in die Falle, und um nicht über die Planke geschickt zu werden, müssen sie sich durch Herausgabe der Münze freikaufen. So treiben sie denn auf dem Floß 6257 ziellos durch die Karibik, bis sie unverhofft auf die Insel 6260 gespült werden – natürlich das Ziel der Schatzsuche.
Der Comic ist nicht so schlecht, wie oben suggeriert worden sein mag. Er bietet sogar bisweilen subtilen Humor, nicht bloß brachialen Slapstick, wie man angesichts der Zielgruppe meinen könnte. Auch wird hier weitgehend noch auf das bei Lego später sehr oft strapazierte Motiv „Gut gegen Böse“ verzichtet. Zwar sind die Hauptpersonen Käpt’n Roger und Willy irgendwie „die Guten“, obwohl vor allem der Käpt’n durchaus zweifelhafte charakterliche Eigen- schaften erkennen läßt, aber die Soldaten des Gouverneurs sind nicht eigentlich „die Bösen“, bloß die Unterlegenen. Die eigentlichen bösen Buben in der Geschichte sind andere Piraten, was ein geschickter pädagogischer Schachzug ist, denn mal ernsthaft: Ist Piraterie ein cooles Kavalliersdelikt, zu dem man Kinder ermuntern sollte?

Da der Hintergrund der Piratensetbilder, also auch des Comics 6255, einen in wolkiges Abendrosa getünchten Himmel zeigt, ist die Miniversion des Buches als rosa Scala-Buch absolut nachvollziehbar. Wir sehen die Karibikinsel, auf welcher der Schatz vergraben ist, den ..äh.. Papagei und das ..öhm.. Piratenschiff mit buntem Segel. Geschmökert wird am Pool 3117.
(Und nur mal so nebenbei: Wer glaubt, daß Mädchen ihr Spielzeug pfleglicher behandeln, als Buben es tun, der sollte mal sehen, in welchem Zustand manche dieser Scala-Bücher aus dem Antiquariat kommen. Zerfleddert ist noch nett gesagt.)

(Und noch nebenbeier: Exakt dieses Exemplar fügte ich dem BrickLink-Katalog hinzu. Sobald ich ein besseres Exemplar hatte, versuchte ich, das schlechte Bildchen durch ein besseres zu ersetzen, aber das wurde abgelehnt. Tja, mehr kann ich auch nicht tun.)