(Ernst Jandl.)
I survived ein altsprachliches Gymnasium, and all I got was this stupid T-Shirt? Die Botschaft des T-Shirts, also ..ähm.. das Gesprächsangebot, lautet: Ich, Träger dieses Bekleidungsstücks, bin im Besitz eines Zertifikats, welches den Erwerb des Graecums nachweist. Das ist mein Abiturzeugnis. Graecum heißt: Ich lernte Altgriechisch, welchselbige Sprache ich demzufolge nun fließend spreche, Andra moi Ennepe-Ruhr-Kreis und so, kleiner Insider, Zwinkersmiley.
Nee, aber mal ernsthaft. Wozu benötigt man das Graecum, wenn man nicht Griechischlehrer oder Theologe werden will, was ich beides nie wollte? Was ist son Graecum also tatsächlich wert? Die Antwort lag letztens im Hausflur, in Form des vermaledeiten Post-Werbespams, den ich als Erdgeschoßbewohner dann immer zum Papiercontainer schleppen darf. DJ Bobo lebt noch und ist auf Tour! Und er nannte seine Tour… Seine Tour heißt… Na, zum Glück habe ich ja das Graecum.
Also: Es beginnt mit dem großen griechischen Buchstaben Sigma, Σ, gewieften Mathematikern als Summenzeichen bekannt, und der Lautwert entspricht einem S. S wie Summe, drum.
Dann haben wir ein großes V, das Vau, einen Buchstaben, den es so im griechischen Alphabet gar nicht gibt. Im Kontext antiker Sprachen könnte man es als lateinische Letter auffassen, wo es die ambivalente Repräsentation eines u- oder eines w-Lautes darstellt. Dafür gab’s bei Lateiners weder U noch W. Im Griechischen gab es kein großes V, dafür aber ein kleines ν. Das ist die griechische Minuskel zum großen Ν (Ny), und das entspricht in der Tat unserem N.
Es folgt der große griechische Buchstabe Theta, Θ, bei uns als Th dargestellt und in der Regel unterschiedslos zum T als t-Laut wiedergegeben. Im griechischen Alphabet gab und gibt es aber auch den Buchstaben Tau (Τ) für den t-Laut, so daß es naheliegend ist anzunehmen, daß Θ für einen anderen Laut genutzt wurde, nämlich, Überraschung, für einen dentalen Frikativ, mithin ein Ti-Äitsch wie in „the“ oder „with“. Als letzteres wird Theta auch im Neugriechischen verwendet.
Es folgt ein großes lateinisches L, welches ein umgedrehtes griechisches Γ ist, Gamma mit dem Lautwert g.
Es folgt ein großes U, von dem wir schon wissen, daß dies im antiken lateinischen Alphabet nicht existierte. Im Griechischen hingegen gibt es die Kleinschreibvariante des Buchstabens Ypsilon, vermutlich einen ü-Laut repräsentierend, anders als im modernen Griechisch, wo annähernd jeder Vokal ein i ist. Das kleine Y sieht so aus: υ, da hamwas also.
Dann steht da ein T, also ein t-Laut, egal in welchem Schriftsystem.
Es folgt ein Ʒ, nein, keine 3. Ʒ repräsentiert im Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) einen stimmhaften sch-Laut wie in „Gelee“. Dieser Laut wird in einigen slawischen Sprachen als Ž geschrieben, Zett mit Hatschek, und in der Tat basiert Ʒ auf einer Schreibvariante des Buchstabens Z, wie sie zum Beispiel in der Sütterlin-Schrift vorkommt.
Θ hatten wir schon. Es sollte nicht velwechsert werden mit dem Buchstaben Ө, welcher in nicht-slawischen Sprachen, die das kyrillische Schriftsystem verwenden, einen ö-Laut repräsentiert, bspw. im Mongolischen oder Kirgisischen.
Zu guter Letzt überrascht uns ein N. Und wenn das hier ein N ist, dann ist das V von oben kein kleines Ny.
Fassen wir also zusammen, wie heißt DJ Bobos Jubiläumstour? Dies herauszufinden war eine kleine Tortur, aber das Ergebnis steht:
Swthgytžthn
Das kann wahrscheinlich nur ein Schweizer flüssig aussprechen.
Und ja, liebe Unbildungsbürger, ich bin natürlich genauso blöd wie ihr. Auch ich habe „Evolution“ gelesen.