CD-Regal restocked: Black Sabbath (Erster Nachtrag)

19. November 2017

Als Ozzy Osbourne die Band verließ bzw. gefeuert wurde, geschah dies gefühlt mitten im Album „Never Say Die!“. Denn im drittletzten Lied der Platte sang er „I’m handing my future over to you“, dann folgte ein Instrumentalstück, und das letzte Lied sang Bill Ward. Und das war’s. Und für Black Sabbath als Band hätte es das auch sein können, doch schon während sich abzeichnete, daß es mit Ozzy nicht mehr lange so weitergehen würde, hatte Tony Iommi Kontakt mit Ronald James Padavona, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Ronnie James Dio. Das war ein kleiner Mann mit großem Ego und noch größerer Stimme, der just als Sänger von Ritchie Blackmores Band „Rainbow“ ausgeschieden war. Sabbath und Dio wurden sich schnell einig, also konnte das Studio geentert werden.

Heaven and Hell

Für die anderen drei Bandmitglieder bedeutete das Engagement von Dio eine Umstellung. Denn war die Arbeitsteilung zuvor so gewesen, daß Iommi mit einer Riff-Idee begann, Geezer Butler einen Text verfaßte, Bill Ward den Rhythmus vorgab und Ozzy Osbourne eine Gesangsmelodie entwickelte, so sprühte Dio dermaßen vor kreativer Energie, daß er die Songs gleich komplett schrieb und bloß noch ein paar Riffs und Solos eingearbeitet werden mußten. Auch wird schon mit den ersten Klängen des 1980er Albums deutlich, daß der neue Sänger einen weitaus besseren Stimmumfang hatte als Ozzy. Nicht an erster Stelle steht das Titelstück, „Heaven and Hell“:

Mit den grollenden Klängen der frühen 70er Jahre ist das zwar auch nicht vergleichbar, aber im Kontrast zum vorherigen Album ist „Heaven and Hell“ rockiger und wirkt insgesamt aus einem Guß. Textlich hat Dio ein Faible für Ritter und Elfen, nicht so sehr für den Höllenfürst, und musikalisch ist der Stil nun eher dem Power-Metal zuzuordnen. Überhaupt kann man sagen, daß Ronnie James Dio Black Sabbath erst zu einer Metal-Band gemacht hat, denn zuvor war sich die Band ja weder im Klaren darüber, daß sie dieses Genre aus der Taufe gehoben hatten, noch waren sich die Mitglieder einig über ihren musikalischen Standpunkt. Darob wird Dio von vielen Fans gottgleich verehrt, und seine Zeit bei Black Sabbath vielfach höher geschätzt als die Ozzy-Jahre. Ozzy Osbourne sah dies freilich anders. Zwar hatte er von sich aus ein Solo-Projekt gestartet, aber aus der Band geworfen worden zu sein, schmerzte ihn denn doch. Auf der Bühne verspottete er darob seinen Nachfolger bei Black Sabbath, indem er einen Kleinwüchsigen ihm aufwarten ließ, was Ronnie wiederum bitter aufstieß. Er bezeichnete Ozzy als Clown, der sich melden könne, wenn er (Ozzy) so gut singen könne wie er (Ronnie). Die beiden wurden ihr Lebtag keine Freunde. Wie auch immer, bei den Fans kam Dio gut an, und das Album wurde als glückliche Wiedergeburt der zuvor doch etwas dahindümpelnden Band gefeiert.

Mob Rules

Darum folgte auch bereits im Jahr 1981 das nächste Album. Daran keinen Anteil hatte leider Drummer Bill Ward. Dieser mußte familiäre Schicksalsschläge verarbeiten, was vor allem dazu führte, daß sein Alkoholkonsum, der immer schon notorisch hoch gewesen war, nun über kritische Ausmaße hinausging. Darum quittierte er während der Heaven-and-Hell-Tour den Dienst und wurde durch den jüngeren Schlagzeuger Vinny Appice ersetzt, wie Dio ein Amerikaner. Ebenfalls während der Tour arbeitete Black Sabbath bereits an Material fürs Album „Mob Rules“, befeuert dadurch, daß sie die Anfrage erreichte, einen Song zum Trickfilm „Heavy Metal“ beizusteuern. Die Band quartierte sich im ehemaligen Haus des erst kurz zuvor ermordeten John Lennon ein und nahm rasch eine Demoversion des Songs „The Mob Rules“ auf, welche auch direkt vom Filmteam akzeptiert wurde, ohne die Reinschrift abzuwarten. Fürs Album wurde der Song natürlich noch mal ordentlich aufgenommen und klingt so:

„If you listen to fools / The mob rules.“ Diese Textzeilen allein sind schon den Preis des Albums wert, so wahr sind sie. Während der Tour zu „Mob Rules“ wurden mehrere Live-Mitschnitte aufgenommen. Drei Konzertabende zur Jahreswende 81/82 im Londoner Hammersmith Odeon, die erst 2007 als streng limitierte Sonder-Edition (5000 Exemplare) auf CD veröffentlicht wurden und seit 2010 die zweite Scheibe der Deluxe Expanded Edition von „Mob Rules“ füllen. Und Konzertmitschnitte von amerikanischen Veranstaltungsorten wurden 1982 als „Live Evil“ veröffentlicht, mithin das erste offizielle Live-Album der Band; alle zuvor auf Platte gepreßten Mitschnitte früherer Konzerttouren waren Bootlegs oder sonstwie von Black Sabbath nicht authorisierte Veröffentlichungen gewesen, namentlich das Album „Live at Last“. Und beim Abmischen des Live-Evil-Albums traten Differenzen zwischen Ronnie James Dio auf der einen und Tony Iommi nebst Geezer Butler auf der anderen Seite zu Tage, welche wohl die Lautstärke von Gesang- und Gitarrenstimmen betrafen. Letztlich wurde Dio beschuldigt, nachts heimlich Veränderungen in seinem Sinne vorgenommen zu haben. Klingt reichlich kindisch, war es auch, und man darf vermuten, daß diese Kinkerlitzchen lediglich die Kulmination von vorher schon bestehenden Spannungen darstellten, denn immerhin hatten sich hier die gut gefütterten Egos von zuvor bereits erfolgreichen Musikern verschiedener Bands getroffen. Das ging einige Jahre gut, aber eine längere Zusammenarbeit war nicht möglich. Dio verließ also Black Sabbath und nahm Vinny Appice gleich mit. Was blieb, waren zwei sehr gute Studio-Alben, welche Black Sabbath zurück ins Bewußtsein des Publikums gehievt hatten.

Kleiner blasphemischer Einwurf: Vielleicht hatte Dio die Gelegenheit, bei der Legende Black Sabbath am Mikro zu stehen, nicht zuletzt auch dafür genutzt, seinen eigenen Namen bekannter zu machen. Wer sich selbst den Künstlernamen „Dio“ (ital.: „Gott“) gibt, leidet wohl nicht an mangelndem Selbstbewußtsein, und nach seiner Trennung von Iommi und Butler nannte er seine neue Band bescheiden nach sich selbst: Dio. Über den Song „The Sign of the Southern Cross“ sagte er mal in einem Interview: „Hey, it’s Sabbath, so a cross is always fitting“, darauf anspielend, daß die Bandmitglieder gewöhnlich schwere Metallkreuze vor der Brust trugen, ihr Markenzeichen. Für mich ist das entlarvend: Er hatte also vor allem mit dem Klischee gespielt und geliefert, um eine angenommene Erwartungshaltung zu befriedigen. Darüber hinaus sprach Dio in Interviews zwar gerne darüber, daß er über alle Menschen, mit denen er je zu tun hatte, stets nur Gutes gesagt habe, nannte dann aber zwei Sätze später Ritchie Blackmore einen phantastischen Musiker aber fürchterlichen Menschen (was stimmen mag), oder lästerte über Ozzys, seiner Ansicht nach, mangelndes Gesangstalent und alberne Bühnenperformance. Also wer weiß, vielleicht lag es ja doch ein bißchen auch an Ronnie selbst, daß er bei Rainbow mit Blackmore aneinandergeriet und mit Black Sabbath keine langfristige Zusammenarbeit zustandekam. (Zum Glück hat mein Blog keine große Reichweite, sonst hätte ich mir mit dieser auf wenigen Interview-Eindrücken beruhenden Einschätzung eine Menge Feinde gemacht. Und über Tote soll man Gutes sagen, also merke ich noch an, daß Dio während seines Engagements bei Black Sabbath die mano cornuta in die Metal-Szene eingeführt hat. 🤘)

Born Again

Black Sabbath standen also erneut ohne Sänger da, aber immerhin war Bill Ward wieder fit und konnte seinen Platz am Schlagzeug wieder einnehmen. Als Vokalist wurde schließlich nach einer durchzechten Nacht im Pub der ehemalige Deep-Purple-Frontman (Mk II) Ian Gillan vorgestellt, was die traditionell spöttische englische Presse zur Bezeichnung „Deep Sabbath“ veranlaßte. (Von „Black Rainbow“ in den Dio-Jahren war meines Wissens freilich nicht die Rede gewesen. Oder vielleicht auch doch, wer weiß.) 1983 erschien jedenfalls das neue Sabbath-Album, und es wurde von Fach- und Laienpublikum mit allgemeinem Kotzen aufgenommen. Das lag zunächst am Titelbild. Und das kam so: Der Designer Steve „Krusher“ Joule erhielt von Sabbath‘ Manager Don Arden den Auftrag, Entwürfe für ein Albumcover einzureichen, was Joule in eine prekäre Situation brachte, denn er hatte auch Aufträge von Ozzy Osbourne und dessen Frau Sharon Osbourne, pikanterweise geborene Arden. Drama, Baby! Krusher wollte die Ozzys nicht als Kunden verlieren, aber auch nicht offen einen Auftrag von Black Sabbath ablehnen, also beschloß er, für Sabbath einen Entwurf einzureichen, der so offensichtlich unannehmbar war, daß er abgelehnt wurde und er, Krusher aus dem Schneider war. Also rasch ein Babyfoto aus einem medizinischen Fachmagazin ausgeschnitten, mit dem Kopierer den Kontrast erhöht, absurde Fingernägel und dämonische Reißzähne nebst Hörnern reinretouchiert, das Ganze in die dem Auge unfreundlichst mögliche Farbkombination getaucht, lieblos „Black Sabbath“ und „Born Again“ in bastardiertem Olde-English-Font draufgeklebt – wäre doch gelacht! Tja, und dann hat Tony Iommi tatsächlich gelacht, Ian Gillan gibt an, gekotzt zu haben, aber Geezer Butler hat einen ausreichend morbiden Humor, um so etwas genial-scheiße zu finden. Entwurf angenommen! Den zweiten Grund, das Album abzulehnen, stellte die mehr als rauhe Produktion dar. Der Sound war anscheinend dem Ohr annähernd so unerträglich, wie der Anblick des Covers dem Auge. Aber das konnte durch ein Remastering behoben werden. Inhaltlich gefällt mir das Album sogar ziemlich gut. So gut, daß der Höreindruck bei Youtube ausschlaggebend war, meine Sabbath-Diskographie nicht nach der Ozzy-Ära enden zu lassen, sondern – in Abänderung meines ursprünglichen Plans – doch alles anzuschaffen; was soll der Geiz!
Auf „Born Again“ ist der doomige, düstere Sound verganger Jahre zurückgekehrt, treibende Riffs dominieren, und Gillans kreischende Stimme, vor allem im Song „Disturbing The Priest“, erinnert sogar ein wenig an Ozzys Tembre. Black Sabbath waren 1968 angetreten, schaurige Musik zu machen, welche die Hörer gruseln ließ. In dieser Tradition steht auch das Album „Born Again“. Als Höreindruck wähle ich „Zero The Hero“ mit vorangestelltem Intro „The Dark“:

Mit dem Abgang der Amerikaner Dio und Appice und dem Bandeintritt von Ian Gillan war Black Sabbath wieder eine britische Band, und dieser Umstand wird mit dem atmosphärischen Instrumentalstück „Stonehenge“ gefeiert, dem ältesten Kulturzeugnis auf englischem Boden – also der Steinkreis, nicht das Lied. Da seit Pink Floyds „The Wall“ Bühnenshows plötzlich übermenschliche Großereignisse sein mußten, wollten auch Black Sabbath dahinter nicht zurückstehen und orderten also als Bühnendeko Stonehenge® in Styropor®, 15 Fuß breit pro Segment. Was kam, war Stonehenge, aber 15 Meter breit, also viel zu groß für die meisten Bühnen. Das hätte der größte Stolperstein auf der Tour sein können, aber leider erlebte Bill Ward einen Rückfall in den Alkoholismus und konnte abermals die Tour nicht beenden. Kurzfristig sprang der Schlagzeuger des Electric Light Orchestra, Beverley „Bev“ Bevan, ein, ein Junge aus Birmingham. Nach dem Ende der Tour deutete sich an, daß Deep Purple sich wiedervereinigen würden, also Ian Gillan, soviel Spaß er mit Black Sabbath auch gehabt hatte, seiner ursprünglichen Band den Vorzug geben würde. Und Geezer Butler war ebenfalls ohne Bill und sowieso ohne Ozzy nicht mehr so recht in der Stimmung. Und plötzlich stand Tony Iommi alleine da beziehungsweise konnte Black Sabbath als aufgelöst betrachten.

Hiatus heißt sowas wohl. Für das 1985er Live-Aid-Konzert fanden alle vier Gründungsmitglieder sogar noch einmal für drei Lieder („Children of the Grave“, „Iron Man“, „Paranoid“) zusammen, und die Fans drückten alle Daumen, aber zur tatsächlichen Wiedervereinigung kam es dennoch nicht. Für Tony Iommi bot dies die Gelegenheit, sich einem Soloprojekt zu widmen, wie es Freund Osbourne seit geraumer Zeit und ziemlich erfolgreich betrieb; 1983 erschien nach „Blizzard of Ozz“ und „Diary of a Madman“ bereits Ozzys drittes Solo-Album „Bark at the Moon“, 1986 in Gestalt von „The Ultimate Sin“ das vierte.

Seventh Star

Mit Eric Singer am Schlagzeug, Dave Spitz am Baß und Geoff Nichols, dessen Name hier bis jetzt nicht fiel, obwohl er bereits seit 1979 für Black Sabbath am Keyboard tätig war, hatte Tony eine kompetente Band beisammen, die er schließlich mit Glenn Hughes am Mikrophon vervollständigen konnte. Glenn hatte von 1973 bis 76 bei Deep Purple den Baß gezupft und auch gesungen, in Tony Iommis Solo-Band sollte er nur singen. Die Plattenfirma war allerdings nicht bereit, den zugkräftigen Namen „Black Sabbath“ sterben zu lassen, und drängte darauf, das Album „Seventh Star“ 1986 unter der etwas abenteuerlichen Bezeichnung „Black Sabbath featuring Tony Iommi“ zu veröffentlichen. Das Titelbild ist 80er-Jahre-typisch schlecht und zeigt einsam einen traurig zu Boden blickenden Tony Iommi in schwarzer Western-Style-Lederjacke. Die Lieder tragen natürlich Tonys Handschrift und sind um seine Gitarrenriffs herum arrangiert, allerdings ist der Stil weniger düster und grollend, als man es von einer ..äh.. echten Black-Sabbath-Platte erwartet hätte. Der Song „Heart Like A Wheel“ ist eine astreine Blues-Nummer, was in Anbetracht von Black Sabbath‘ Anfängen als Blues-Band nicht einmal fehl am Platze wirkt. Glenn Hughes singt vor allem von persönlichen Befindlichkeiten, nicht über den schlimmen Zustand der Welt, außer vielleicht auf dem Titeltrack, „Seventh Star“, hier komplett mit Intro „Sphinx (The Guardian)“:

Glenn Hughes war gar nicht glücklich damit, daß diesem Album der Black-Sabbath-Stempel aufgedrückt wurde, denn damit war klar, daß auf der Tour auch die alten Sabbath-Klassiker zum Vortrage gebracht werden mußten, und das war gar nicht sein Ding. Zu seinem Glück hatte er sich aber nach fünf Shows mit einem Tourmanager in den Haaren, es kam zu Raufhändeln, und er wurde ausgeknockt, so daß er nicht mehr singen konnte. Der Amerikaner Ray Gillen ersetzte ihn auf der Tour und bei den Aufnahmen für das folgende Album.
Der Umstand, daß aus dem Soloprojekt Tony Iommis ein offizielles Black-Sabbath-Album wurde, setzte einen Präzedenzfall. Denn plötzlich schien es nicht mehr notwendig zu sein, daß Geezer Butler und Bill Ward zurückkehrten, um ein Sabbath-Album aufzunehmen, ganz zu schweigen von Ozzy Osbourne. Es konnte auch mit Tony Iommi als einzigem Gründungsmitglied weitergehen.


CD-Regal restocked: Black Sabbath

17. November 2017

Im Zuge meiner Recherchen zu Metallica und Metal-Music allgemein war es unvermeidlich, daß ich mehr als einmal über „Black Sabbath“ stolperte, denn jeder Metal-Musiker, der etwas auf sich hält (also alle), gefragt nach seinen Einflüssen, nennt diese Band fundamental nicht nur für seine eigene, sondern für die Entwicklung des gesamten Genres. Auch mir selbst war natürlich irgendwie seit meiner Kindheit bewußt, daß es Black Sabbath gab, aber sie rauschten halt so mit im musikalischen Farbspektrum, das von Pink Floyd über Deep Purple bis eben Black Sabbath reichte, ohne daß mich konkret mit irgendeiner dieser Bands etwas verbunden hätte. Zwar ist mir erinnerlich, in der Pausenhalle mal einen älteren Schüler mit einem Black-Sabbath-T-Shirt gesehen zu haben, das so ein keltisches Kreuz mit dem Namen der Band in phantasievoller Frakturschrift zeigte, zwar beherbergt meine Festplatte seit nicht ganz einer vollen, aber bestimmt einer halben, wenn nicht gar einer Dreifünftelewigkeit die Songs „Paranoid“ und „Children of the Grave“, die auch von mir gerne gehört wurden. Aber trotz all dem vermeinte ich über Black Sabbath nur dreierlei zu wissen, was ich im Laufe der Jahre so aufgeschnappt hatte: Sie sind eine Metalband, die es schon sehr lange gibt; Ozzy Osbourne ist ein Wahnsinniger, der auf der Bühne Fledermäusen die Köpfe abbeißt und mal in so einer Art Reality-TV-Show auftrat; und man bringt Black Sabbath mit Satanismus in Verbindung.
Vielleicht war es der letzte Punkt, der mich, aus gutem christlichen Hause stammend, davon abhielt, der Musik dieser Band meine nähere Aufmerksamkeit zu widmen, denn mit Satanismus wollte ich natürlich nix zu tun haben, Gott bewahre! Tja, mein Pech. Aber inzwischen habe ich mich von religiös motivierten Ressentiments dieser Art befreit, ich ging der Sache also in den letzten Monaten auf den Grund, und guess what: So satanistisch sind die gar nicht.

Black Sabbath

Da ich ja gerne strukturiert vorgehe, fing ich also vorne an. Zu meiner Überraschung stammt das selbstbetitelte Debüt-Album bereits aus dem Jahre 1970. Ich hatte ja geahnt, daß Black Sabbath einer frühen Periode der Metal-Musik zuzurechnen sind, aber ich hatte mehr so an die Zeit von Venom und Judas Priest oder Iron Maiden gedacht. Aber 1970, das ist ja die Zeit der Beatles (noch) und der Rolling Stones (immer), da gab es The Who und Genesis, die Yardbirds (schon nicht mehr), Led Zeppelin (in der Nachfolge der Yardbirds), Deep Purple und Pink Floyd. Als sich 1968 in Birmingham die vier Freunde Tony Iommi, Geezer Butler, Bill Ward und Ozzy Osbourne, deren bürgerliche Namen in willkürlicher Reihenfolge Terence, Michael, Joseph, John, Frank, Anthony, Thomas und William umfassen (Mehrfachnennungen möglich), nebst zwei weiteren Musikanten die „Polka Tulk Blues Band“ gründeten, welche nach Abgang dieser beiden weiteren Musikanten in „Earth“ umbenannt wurde, war England amtierender Fußball-Weltmeister, führten die USA einen moralisch kaum zu rechtfertigenden Krieg in Vietnam, und Hippies aßen Blumen, rauchten alles mögliche und warfen LSD ein. Adenauer war freilich schon tot (knapp). Die junge Band probte gegenüber einem Kino, in dem unter anderem Horrorfilme gezeigt wurden, deren einer „Black Sabbath“ hieß, und da der Name „Earth“ bereits vergeben war und „Black Sabbath“ fein schaurig und makaber klang, benannten die Jungs ihre Band entsprechend um. Außerdem hatten sie Bock darauf, Musik zu machen, die das schaurige Tembre der damaligen Horror-Filme wiedergab, und mit diesem Ansinnen begann sie, eigene Lieder zu schreiben und zur Aufführung zu bringen. Als sie schließlich ins Studio gingen, um ihr Songmaterial auf Vinyl zu pressen, nahmen sie am ersten Tag alle sieben oder acht oder auch mehr Songs auf, die sie im Repertoire hatten (Darunter mit „Evil Woman“ und „Warning“ zwei Cover-Songs), am zweiten Tag wurde abgemischt, und der Soundingenieur fügte noch coole Effekte wie Glockenschlag und Gewittergrollen hinzu. Fertig war das Album. Heute enthält es acht Songs, aber einige Lieder haben Intros und Outros, die bisweilen als eigene Tracks gezählt wurden, und der Song „Wicked World“ war ursprünglich nicht auf dem Album enthalten, sondern wurde nur als Single herausgegeben.
Das selbstbetitelte Album beginnt mit dem selbstbetitelten Lied „Black Sabbath“, damit auch jeder wußte, womit er es hier zu tun hatte. Nach Glockenschlag und Regenprasseln setzt, haha! der Tritonus, das Teufelsinterval ein, ein schweres Riff, bis schließlich Ozzy Osbournes unvelwechserbare Stimme erklingt:

Birmingham ist eine Industriestadt. Gitarrist Tony Iommi hatte sich bei einem Arbeitsunfall im Walzwerk zwei Fingerkuppen abgequetscht. Ozzy Osbourne fand es als Halbstarker mal notwendig, sich als Dieb zu betätigen, kam für einige Wochen in den Knast und tätowierte sich dort „Ozzy“ auf die Finger. Bassist Geezer Butler hatte nicht nur diesen ulkigen Spitznamen (geezer heißt sowas wie „komischer Kauz“), sondern beschäftigte sich auch mit Okkultismus und dergleichen. Also man merkt schon, das waren hier nicht die glatten Beatles oder die Intellektuellen von Pink Floyd. Nein, das war Heavy Metal, bloß wußte das damals noch keiner. Gemeinhin wird dieses Album zwar, trotz deutlicher Blues-Einflüsse inklusive Maultrommel und Mundharmonika, als Geburt des Heavy Metal angesehen, aber auch das Debutalbum von Led Zeppelin (1969) ist im Rennen um diese Ehre. Is‘ aber auch egal, denn düsterer und baßlastiger als Black Sabbath war zu diesem Zeitpunkt niemand, ganz zu schweigen von den harten Riffs. Und ja, der Deibel findet seine Erwähnung; im Titelsong grinst sich Satan eins, und der Song „N.I.B.“ ist gar aus der Perspektive Lucifers geschrieben. Allerdings kann man bei beiden Liedern kaum davon sprechen, daß der Leibhaftige hier verehrt würde, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Dessen ungeachtet fand es der fürs Artwork zuständige Mitarbeiter der Plattenfirma angemessen, im Innern ein umgedrehtes Kreuz zu platzieren, worauf die Band also wohl keinen Einfluß hatte, aber auch wenige Einwände vorbrachte, denn als Zeichen der Rebellion hatten die Jungs nichts dagegen. Aber fürderhin hatte Black Sabbath den Ruf weg, Teufelsanbeterei zu betreiben.

Paranoid

Noch im selben Jahr, 1970, nahm Black Sabbath das zweite Album auf. Es beginnt mit einem schweren Riff und Sirenengeheul in der Anti-Kriegs-Hymne „War Pigs“. Abermals wird der lachende Satan erwähnt, und abermals nicht zu seinem Ruhme. Es folgt ein kurzer Song, den die Band am Ende der Aufnahme-Sessions noch rasch aus dem Ärmel schüttelte, um eine Gesamtspieldauer von über 40 Minuten zu erzielen. Doch statt eines bloßen Lückenfüllers wurde „Paranoid“ der Titeltrack, eine Single-Auskopplung und im Grunde das Aushängeschild von Black Sabbath.

Mit dem Lied „Iron Man“, der mit der Comicfigur nichts zu tun hat, beinhaltet das Album nicht nur einen weiteren Black-Sabbath-Klassiker, sondern mit „Hand of Doom“ brachten sie nach dem Metal-Genre als ganzem gleich auch noch das Doom-Subgenre mit auf den Weg. Aber eigentlich waren Iommi, Osbourne, Ward und Butler zu jener Zeit vor allem zugedröhnte Hippies, denen Psychedelic Rock nicht hart genug war und die als Kinder des düsteren Birmingham mit Flower Power nichts am Hut hatten. Das Album ist politischer und gesellschaftskritischer als das Debut, auch lösten sich die Musiker deutlich von ihren Wurzeln als Blues-Band und wandten sich mehr dem Hard Rock zu, weil sie ja immer noch nicht wußten, daß sie eigentlich Heavy Metal machten. Der Song „Planet Caravan“ zeigt aber dann doch psychedelische Einflüsse.
Ursprünglich sollten Album und Titeltrack „Walpurgis“ heißen, weil: Hexensabbath. Klever. Das war den Verantwortlichen des Plattenlabels aber plötzlich zu schwarzmagisch; jüngste Erfahrungen einer USA-Tour hatten gezeigt, daß dortselbst die Auftrittsmöglichkeiten eingeschränkt waren, wenn sich die Band zu antichristlich gab. Also wurde der Songtitel in „War Pigs“ geändert, was wenigstens die Lautgestalt einigermaßen beibehielt, und der Text entsprechend umgeschrieben. Das Umschlagbild zeigte darob einen in ein Schweinskostüm gewandeten Säbelschwinger. Und dann nahm die Plattenfirma erneut eine Umbenennung vor, weshalb das War-Pig-Bild nun nicht zum endgültigen Titel „Paranoid“ paßt.

Master of Reality

Die Tantiemen der ersten beiden Alben waren rasch versoffen, darum wurde im Juli 1971 gleich das dritte nachgeschoben. Tony Iommi hatte zuvor schon, um seine verletzten Finger zu schonen, seine Gitarre mit leichteren Saiten bespannt. Nun verringerte er zusätzlich den Druck, indem er die Gitarre soundsoviele Schritte tiefer stimmte. Seine Bandkollegen folgten seinem Beispiel, und so ergab sich ein noch düsterer, schwererer Klang. Spätestens jetzt spielte Black Sabbath also Heavy Metal.
Nach einem geechoten Huster von Tony setzt mit „Sweet Leaf“ eine Ode auf süßes Rauchkraut ein, gefolgt von dem geradezu christlich anmutenden Lied „After Forever“, mit dem Geezer vielleicht endlich dem verbreiteten Eindruck entgegenwirken wollte, daß die Band sich dem Teufel verschrieben habe. Das kurze Instrumentalstück „Embryo“ leitet schließlich als Höhepunkt der A-Seite „Children of the Grave“ ein. Besser geht’s nicht!

Das schaurig gehauchte „children of the grave“ am Ende war auf der Langspielplatte als Endlosschleife angelegt, so daß sich, wer wollte, die ganze Nacht hindurch begruseln lassen konnte. Das Lied handelt davon, daß Kinder, die in dieser düsteren Zeit von Krieg und atomarer Wettrüstung auf die Welt kommen, sozusagen direkt aus dem Grab heraus geboren werden, so sich denn nicht bald mal was zum Besseren ändert.
Die B-Seite beginnt mit dem geradezu lieblichen Instrumentalstück „Orchid“. Und dann zeigt der Teufel doch noch sein Gesicht: „You made me master of the world where you exist / The soul I took was not even missed.“ Das rifflastige Lied „Lord of the World“ beklagt aus der Sicht des Gehörnten den Hang der Menschen, auf bösen Wegen durch die Welt zu wandeln, statt die Liebe zu wählen. Wie dergleichen Texte überhaupt je als satanistisch mißverstanden werden konnten, ist mir schleierhaft. Zumindest gibt es hier von Verehrung keine Spur, sondern die Lieder bieten eine Bestandsaufnahme des Weltzustands, die so düster und pessimistisch ausfallen muß, weil die Realität nun mal leider so düster ist. Am Ende bleibt nur die Flucht „Into the Void“, wo hoffentlich eine bessere Zukunft wartet.
Mit nicht einmal 35 Minuten ist „Master of Reality“ bedauerlich kurz, dafür enthält es aber auch ausschließlich phantastische Songs, die musikalisch und textlich auf den Punkt kommen. Der LP lag ein Poster bei, welches die Band auf der Kuppe eines Waldwegs zeigt. Auf dem obigen Bild habe ich versucht, dies in Lego einzufangen.

Vol. 4

Fürs vierte Album zogen Black Sabbath 1972 ins Record-Plant-Studio nach Los Angeles. Hatten die vier in ihrem bisherigen Rockstarleben vor allem dem Alkohol zugesprochen und des Marihuanas genossen (Jahá! Ein Objektgenitiv!), so lernten sie in L.A. die bewußtseins… äh… verändernde Wirkung von Kokain kennen und schätzen. So begeistert waren sie von dem weißen Pulver, daß sie nicht nur den Song „Snowblind“ schrieben, sondern ihn gleich zum Titeltrack für das gesamte Album machen wollten. Das war mal wieder nicht im Sinne der Plattenfirma, also benamsten sie die LP trotzigerweise gar nicht, sondern nannten sie schlicht „Vol 4“. Das ikonische Titelbild zeigt den Wizard of Ozz, der das Publikum mit dem Peace-Zeichen segnet. Der Umstand, daß einzig Ozzy einen Platz auf dem Cover bekam, ließ der Legende nach Tony Iommi leicht vergnatzt sein und veranlaßte ihn, des Sängers Mikrophon fortan von der Bühnenmitte an den linken Rand zu verlegen. Wie auch immer. Das Album ist insgesamt noch härter und rifflastiger als die Vorgänger, mit gelegentlichen Experimenten. Der Track „FX“ ist bloß eine Effektspielerei mit allerhand Gegenständen auf Tonys Gitarrenseiten; was Bands in jener Zeit halt so taten. Aus dem Riffgewitter stechen außerdem die geradezu als Schnulze zu bezeichnende Ballade „Changes“ sowie das elegische Gitarrensolo „Laguna Sunrise“ hervor. Es ist beim Durchhören des Albums schwierig, sich für einen exemplarischen Höreindruck zu entscheiden, also ergreife ich die letzte Chance und verlinke das doomige „Under the Sun/Every Day Comes and Goes“, mit dem die Platte endet:

Mit Vol. 4 schien Black Sabbath sich für eine härtere Stilrichtung entschieden zu haben, wiewohl Streicher zum Einsatz kommen und der Song „Changes“ eine Klavierballade ist. Annähernd jeder Track auf dem Album wird von irgendwem als absoluter Klassiker angesehen, vielleicht mit Ausnahme von „FX“. Dummerweise war die Studioarbeit aber auch begleitet von exzessivem Kokainkonsum, was von den Musikern zunächst als kreativitätsfördernd empfunden wurde, mittelfristig aber nicht ohne negative Auswirkungen auf das Gefüge innerhalb der Band bleiben sollte.

Sabbath Bloody Sabbath

Und da war er wieder: Black Sabbath‘ Okkultismus! Gleich auf dem symbolträchtigen Titelbild der 1973er Veröffentlichung springt er dem Betrachter entgegen. Nackte Dämonen bedrängen einen Sterbenden unter dem Zeichen von Totenkopf und *raun* 666. (Auf der Rückseite des Covers stirbt derselbe Mann im Kreise seiner Lieben und unter Engelsflügeln. Also alles Ansichtssache.) Diesmal ließ sich die Band auch nicht von der Plattenfirma dreinreden, sondern setzte den Titeltrack direkt an den Anfang.

So heavy und gitarrengetrieben dieser Song auch ist, mit diesem Album treten Black Sabbath in ihre progressivere Phase ein. Die Songstrukturen werden komplizierter, und die Instrumentierung geht über das klassische Gitarre-Baß-Schlagzeug-Gesang-Arrangement hinaus, insofern neben Synthesizern auch verschiedene Percussion-Instrumente nebst Pauken, sowie Flöte und Dudelsack zum Einsatz kommen. Auch Streicher sind wieder dabei, und Yes-Tastengott Rick Wakeman konnte zu einem Gastauftritt beim Song „Sabbra Cadabra“ nicht nein sagen. Das klingt alles ziemlich opulent, und das, obwohl die Band zu Beginn der Studioaufnahmen in L.A. unter einer lähmenden Schreibblockade litt. Vielleicht war das Kokain, das der Legende nach kartonweise angeliefert wurde, dem kreativen Prozeß doch nicht so förderlich. Jedenfalls verlagerte die Band ihre Aufnahmen schließlich vom sonnigen Kaliformien ins heimische England, wo die mittelaterliche Atmosphäre des Clearwell Castle offenbar belebend wirkte, denn am Ende stand dieses Album, das neben dem Titeltrack und dem schon erwähnten „Sabbra Cadabra“ auch die Klassiker „A National Acrobat“ und „Spiral Architect“ beinhaltet. Der Song „Killing Yourself to Live“ ist übrigens keine Anleitung zum Selbstmord, sondern eine Aufforderung, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, und bei „Looking for Today“ vermeine ich sogar einen Beatles-Einfluß zu hören. Vielleicht interpretiere ich zuviel hinein, aber immerhin gibt Ozzy an, großer Beatles-Fan zu sein. (Und als er schließlich mit Mitte 50 sein Idol Paul McCartney, Anfang 60, zum ersten Mal persönlich trifft und vor Ehrfurcht zerfließt, behandelt Sir Paul den Prince of Darkness wie ein hundsgemeines Groupie.)

Sabotage

Im Jahre 1974 gab es kein neues Album von Black Sabbath. Was war da los? Nun, die Band fand sich in einen Rechtsstreit mit ihrem vormaligen Manager verwickelt, den sie feuern mußten, weil er sie über’n Tisch gezogen hatte. Tony, Bill, Geezer und Ozzy hatten den Eindruck, daß ihnen durch die Musikindustrie Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden, was schließlich 1975 zum Albumtitel „Sabotage“ führte, durch den Sab-Anklang sowieso passend. Der Ärger und die Frustration, die mit dem ganzen Rechtskram einhergingen, befeuerten den kreativen Prozeß, das Lied „The Writ“ (Der Schrieb) ist eine direkte Reaktion auf die Situation. Musikalisch wird der Weg, der auf dem Vorgängeralbum eingeschlagen wurde, nicht weiterbeschritten. Auf dem Quasi-Instrumentalstück „Supertzar“ erklingt zwar vielstimmiger Chorgesang, der mich (und vermutlich ausschließlich mich) ein wenig an Pink Floyds „Atom Heart Mother Suite“ gemahnt. Ansonsten reicht das Spektrum jedoch von Hard Rock über Heavy Metal und Progressive Rock zu beinahe schon Pop. Der Song „Am I Going Insane (Radio)“ ist in der Tat radiotauglich, auch wenn das „Radio“ im Titel mit dem Rundfunkempfangsgerät gar nichts zu tun hat, sondern ein Slang-Wort für „mental“ ist (gemäß Wikipedia). Von Hölle und Teufel ist auf diesem Album freilich kaum die Rede. Das fast neuneinhalbminütige Stück „Megalomania“ wäre ein guter Anspieltip, aber ich entscheide mich für „Symptom of the Universe“, weil es geradezu Thrash-Metal ist, welchselbiges Genre Black Sabbath somit auch erfunden hätten. In your Face, Metallica!

Und dann dieses Titelbild! Der sabotierte Spiegel, der eben nicht das Spiegelbild zeigt, ist genial. (Die Rückseite des Covers zeigt die ganze Szene übrigens von hinten.) Aber warum trägt Bill Ward eine rote Strumpfhose und Ozzy Osbourne einen seidigen Morgenmantel? Bill Ward erklärte später, daß er keinen Bock hatte, beim Phototermin einfach seine Jeans zu tragen, weil ihm das zu langweilig war. Darum zog er eine zufällig vorhandene Strumpfhose seiner Freundin an, welche freilich allzu deutlich betonte, daß er – ganz Rockstar – keine Unterhose trug. Also bat er Ozzy um dessen Unterhose, was dem recht war, bloß hatte Ozzy dann ja selbst keine Unterhose mehr, und der Photograph drückte aufs Tempo. Kurzerhand schlüpfte er darob in den Morgenmantel. Es mögen Drogen im Spiel gewesen sein.

Technical Ecstasy

Im Jahre 1976 trat Black Sabbath in eine Phase ein, über die Ozzy Osbourne später ungefähr sagte (in schwer verständlichem Birminghamer Working-Class-English): „Wir dachten, wir seien die Beatles. Oder Pink Floyd.“ Der Vergleich ist nicht verkehrt, denn die Band entfernte sich sichtlich (Jawohl, sichtlich, denn das Titelbild, von Pink Floyds House-and-Court-Titelbildentwerfer Hipgnosis entworfen, zeigte, wie abermals der um Bonmots niemals verlegene Mr. Osbourne bemerkte „two robots screwing on an escalator“, was zu den vorherigen Alben nicht gepaßt hätte, hier aber nicht fehl am Platze wirkt.) und hörentlich vom gewohnten schweren Doom-Sound der Anfangstage. Zwar beginnt der erste Song „Back Street Kids“ mit einem schweren Riff, zwar ist „You Won’t Change Me“ hard & heavy, aber das von Bill Ward gesungene „It’s ALright“ ist beinahe ein Softrock-Song, „She’s Gone“ knüpft in seiner streichergetragenen Schnulzigkeit an „Changes“ vom Vol-4-Album an, ohne es zu erreichen, und „Rock ’n‘ Roll Doctor“ ist annähernd ein Rock-n-Roll-Song. Das sind alles keine schlechten Lieder, im Gegenteil, aber eben anders. Da ich mich als Anspieltipp nicht zwischen „You Won’t Change Me“ und „Gypsy“ entscheiden kann, schmuggle ich das eine hintenrum rein und verlinke das andere offen:

Der Song „Dirty Women“ wurde auch in jüngerer Zeit noch auf Live-Konzerten vorgetragen, aber über die musikalische Ausrichtung der Band bestand wohl schon damals intern Unstimmigkeit. Zu jener Zeit kamen in England, Amerika und sogar Australien zahlreiche neue Bands auf, die drohten, Black Sabbath den Rang abzulaufen. Auf der Tour zum Album wurde Black Sabbath von AC/DC als Vorband begleitet, die eine Show boten, mit der Sabbath nicht mithalten konnte. Auch pflegten Iommi und Genossen noch die Tugend musikalischer Diversität, wie „Technical Ecstasy“ durchaus beweist, während junge Bands sich als Genrespezialisten betätigten. Die Mitglieder von Black Sabbath hatten rundheraus keine Ahnung, auf welches Genre sie sich denn einigen sollten. Hinzu kamen die immer noch anhaltenden Rechtshändel und der zunehmende Drogenkonsum, der die Stimmung in der Band aufs Zerreißen spannte. Und so kam es, daß Ozzy nach der Tour zum Album die Band verließ und sich dem Soloprojekt „Blizzard of Ozz“ widmete.

Never Say Die!

Da es für Black Sabbath ja auch ohne Ozzy weitergehen mußte, heuerten sie einen neuen Sänger an, Dave Walker, und arbeiteten an neuem Songmaterial. Doch dann kehrte Ozzy 1978 zur Band zurück, und Dave Walker durfte wieder abziehen, denn Mr. Osbourne hatte die älteren Rechte. Naturgemäß weigerte er sich, die Songs zu singen, die in seiner Abwesenheit enstanden waren, also mußten unter relativem Zeitdruck acht neue Lieder geschrieben werden. Den Song „Junior’s Eyes“ sang Ozzy dann doch, aber für „Swinging The Chain“ mußte Bill Ward ans Mikro, der ja bewiesen hatte, daß er es konnte. Wie üblich zeigt der Klang auf diesem Album Abweichungen vom Gewohnten, ist insgesamt noch weniger düster als auf dem vorherigen Album. Der Opener „Never ay Die!“ ist schnell, hell und kurz. Das Auftaktriff von „Johnny Blade“ kommt vom Synthesizer. „Air Dance“ klingt wie die Vorspannmelodie einer 70er-Jahre-Fernsehserie. Das Instrumentalstück „Breakout“ ist eine Jazz-Nummer mit Bläsern. Ach, hören wir mal „Air Dance“:

Neben dem Zeitruck, unter dem die Aufnahmen stattfanden, erschwerte auch die weitgehende Unzurechnungsfähigkeit einzelner oder aller Bandmitglieder infolge massiven Zugedröhntseins die Fertigstellung des Albums. Am schlimmsten trieb es in dieser Hinsicht, natürlich, Ozzy Osbourne. Und weil der schon zuvor mit einem Soloprojekt geliebäugelt hatte und insgesamt nicht mit dem Herzen bei der Sache war, gaben seine Drogenexzesse schließlich den Ausschlag, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. Ozzy wurde gefeuert. Unter Tränen, denn er war ein Freund, aber die Differenzen in Arbeitsethos und musikalischer Ausrichtung schienen diesen Schritt unvermeidlich zu machen. Und so war es dann vorbei mit Black Sabbath, wie diejenigen, die sie kannten, sie kannten.