Irgendwie hat sich bei mir die Tradition eingeschlichen, gegen Jahresende alte Lego-Eisenbahnsets anzuschaffen. Als ich im Juli 2013 Barbaras Rangierlok 7760 übernahm, weil sie halt so niedlich ist, dachte ich noch, die paar Schienen-Zukäufe, mit denen ich dem Lökchen eine angemessene Bahn baute, wären das Äußerste. Ich irrte. Nach und nach holte ich so allerhand Material von den grauen Seiten der 80er-Jahre-Kataloge ran, nun also diesen „Auto-Verlade-Bahnhof mit Spezial-Flachwaggon, Auffahrrampe, Pkw, Fahrer und Lademeister“, wie der 1986er Katalog sich etwas ausführlicher gibt als der Kartonschriftzug. Und mit gelindem Erschrecken wurde mir soeben bewußt, daß meine Sammlung damit auch schon alles an Eisenbahn-Gebäuden umfaßt, was das Programm zu bieten hatte, mal abgesehen von den Bahnsteigen bei den Zugsets.
Die Firma Lego residiert in Billund, Billund liegt in Jütland, Jütland hat unter anderem eine Nordseeküste, südlich der dänischen Nordseeinsel Rømø befindet sich Sylt, und Sylt wird legendärerweise über den Hindenburgdamm per Autoreisezügen mit Benzinkaleschen versorgt, damit die Prominenten nicht auf den Porsche in der Einfahrt ihres Friesenhäuschens verzichten müssen. Gab es also für Lego Naheliegenderes, als einen Auto-Verladebahnhof ins Programm zu nehmen? Keineswegs. Das Set 7839 bietet unbestreitbar Spielwert, es hat jedoch auch seine Tücken.
Beobachten wir also einen Sylturlauber bei der Verladung seines Porsches (abstrahierte Darstellung). Der Lademeister bemerkt das Fahrzeug die Rampe herauffahren und begibt sich verschmitzt lächelnd in seine Steuerzentrale.
Hier muß der Sommerfrischler die erste Hürde überspringen: Der Ticketautomat ist für Minifigarme weit entfernt. Aber die Schranke muß zuvörderst sich öffnen, ohne dem kann die Reise nicht losgehen. (Ja, dieses Set ist ein Gebrauchtkauf, aber die hintere Schiene wirkt auf dieser Photographie weitaus vergilbter, als sie ist, was ich den winterlichen Lichtverhältnissen zuschreibe.)
Der Schrankenbaum ist in SNOT-Bauweise¹ an einen 2er Drehteller gebaut und hier in der Tat vergilbt. Da er sich schließlich öffnet, kann das Auto auf die Ladeplattform gefahren werden. Diese ist verschiebbar in 12 graue Schiebetorschienen eingehängt, was viel klingt, aber nur den zweiten Platz hinter der Containerbrücke 7823 bedeutet, wo derer 18 verbaut sind. Schön ist auch die gelb markierte Sicherheitszone, eine Intarsienarbeit in ABS².
¹) Studs Not On Top, also Noppen irgendwie, bloß nicht oben.
²) Acrylnitril-Butadien-Styrol, der Stoff, aus dem die Träume sind.
Die Mechanik hinter dieser Ladeplattform ist denkbar einfach. Man schiebe die Plattform dem Waggon entgegen. Die korrekte Stellung kann mithilfe dieser beiden Pfeilkippschalter sichergestellt werden.
Auf diese Weise läßt sich spielend der 2 Noppen breite Spalt zwischen der Ladekante und dem Wagon überwinden. Jedoch…
Das nächste Hindernis präsentiert sich dem Automobilisten. Denn nun ist die Ladekante zwar nah dran am Waggon, das Auto aber damit noch lange nicht drauf. Ob kräftiges Schieben hilft? Im Regelverkehr wird das diensthabende Kind seine magische Hand eingesetzt haben, aber unsere Minifig hat da ihren Stolz.
Das wäre doch gelacht! So ein Legoland-Standard-Auto muß sich doch rückwärts einparken lassen. Vorwärts geht jedenfalls gar nichts, wie ich als innenstadterprobter Berufskraftfahrer versichern kann. Aber auch für komfortables Rückwärtseinparken müßte mehr Platz auf der Rampe zur Verfügung stehen. Und dann sind da ja noch die Haltemulden auf dem Waggon selbst. Diese erfordern einen sehr sorgfältigen Umgang mit den Pedalen, wenn im Zuge des Einparkens ein Rad in die falsche Mulde gerät. So oder so ist es nicht einfach.
Eigentlich wäre das ein Job für den announcierten Lademeister. Der jedoch ist vollauf damit beschäftigt, in seinem Häusken die grundlegenden Funktionen dieser Laderampe zu bedienen. Das Kabuff ist übrigens merkwürdig. Grundsätzlich paßt es in seiner roten Grundfarbe mit weißen Fensterrahmen in den Stil anderer Eisenbahn-Gebäude dieser Zeit, als da wären der Bahnhof 7824 und die Bahnübergänge 7835 und 7866. Doch stellen sich Fragen bezüglich der Gestaltung. Wieso weist die Beobachtungsstation geneigte Frontscheiben auf, wenn doch der Blick durch die davor angeordnete Galerie behindert ist? Wieso ist der gelbe Stuhl nicht drehbar, wo sich doch im Rücken des Maschinisten Bedienpulte befinden? (Diese Frage läßt sich freilich durch das zu geringe Platzangebot im Innern beantworten, was den Arbeitsplatz jedoch nicht ergonomischer macht.) Zuletzt möchte ich aus ästhetischen Gesichtspunkten auch die Höhe des roten Horizontalelements über dem Fenstersturz in Frage stellen. Die Höhe des Balkens ergibt sich durch eine Steinhöhe mit Fliesenauflage, um das Dach abhebbar zu machen, doch wird das Kabäusken dadurch kopflastig, da der obere rote Streifen nicht gut mit der Höhe der roten Galerie im unteren Bereich harmoniert. Es ist dieser Maschinenstand eindeutig ein Zweckbau ohne den Anspruch, schön sein zu müssen. Insgesamt mutet dieser Verladebahnhof in seiner Gesamtheit wie eine Flußfähre an.
Unterdessen hat es unserer wackerer Autofahrer doch noch geschafft, seinen fahrbaren Untersatz auf dem fahrbaren Untersatz der Bahngesellschaft zu positionieren. Hocherhobenen Hauptes kann er also die Plattform verlassen (like a boss!) und seinen wohlverdienten Urlaub antreten.