Na, wer sagt’s denn! Im Dezember 1997 fand endlich das statt, worauf die Fans seit 1979 gehofft hatten, was sich zwischendurch mehrmals anläßlich von Festival-Auftritten angedeutet aber letztlich nicht erfüllt hatte: Black Sabbath in Originalbesetzung fanden sich zu zwei Konzerten in Birmingham zusammen, um endlich ein offizielles Live-Album aufzunehmen. Alles, was es zuvor an Sabbath-Live-Alben gegeben hatte, war entweder nicht von der Band authorisiert gewesen, oder war halt nicht die Urbesetzung. Und – Hand aufs Herz – nur diese zählt. Naturgemäß enthält das passenderweise Reunion betitelte Konzert nur Songs der Ozzy-Ära von 1968 bis 1979. Als besonderes Schmankerl nahmen Iommi, Butler, Osbourne und (mit Abstrichen) Ward für die Veröffentlichung zwei (ein) neue(s) Lied(er) im Studio auf: „Psycho Man“ selbviert, den Song „Selling my Soul“ merkwürdigerweise ohne Bill Wards Schlagzeugspiel. Was das nun wieder sollte? Möglicherweise spielte ein leichter Herzinfarkt Bill Wards eine Rolle.
Black Sabbath waren also wieder vereint, spielten einzelne Konzerte und im Jahre 2005 sogar eine Tour. Zu einem kompletten Studioalbum konnten sich die vier Veteranen aber nicht aufraffen. Immerhin erhielten sie im Jahre 2000 ihren ersten Grammy für „Iron Man“ in der Reunion-Version.
The Dio Years
Im Jahre 2007 hatte die Plattenfirma die Idee, Black Sabbaths Ära mit Ronnie James Dio am Mikrophon auf einem Kompilationsalbum zusammenzufassen. Das versprach zusätzliches Tonträger-verkaufspotenzial, also sagte Tony Iommi zu. Auch Ronnie war einverstanden. Die Zusammenstellung vereint Lieder der Alben „Heaven and Hell“, „Mob Rules“ und „Dehumanizer“ sowie den Song „Children of the Sea“ vom Konzertalbum „Live Evil“, das ich in meiner Sammlung ausgelassen habe. Und da das Reunion-Live-Album zwei zusätzliche Studio-Songs enthalten hatte, sollte auch diese Dio-Werkschau solche enthalten, aber dieses mal sogar drei; in your face, Ozzy! Obwohl Black Sabbath zu diesem Zeitpunkt ja offiziell aus Tony Iommi, Geezer Butler, Bill Ward und Ozzy Osbourne bestand, gingen Toni und Geezer mit Ronnie James Dio und Vinnie Appice, der einst auf „Mob Rules“ und „Dehumanizer“ die Trommel gerührt hatte, ins Studio, um unter dem Namen „Black Sabbath“ drei Songs aufzunehmen. „The Devil Cried“:
Da Iommi offenbar aufgefallen war, daß das für Bill und Ozzy möglicherweise ein Affront sein könnte, absolvierte das Quartett die Promo-Tour zum Dio-Years-Album unter dem Namen „Heaven & Hell“, was nun ausgerechnet das Dio-Album ist, auf dem Vinnie Appice nicht mitspielt, Mann, Mann, Mann…
Bis hierher hatten die jüngeren Aktivitäten Black Sabbaths seit 1997 vor allem retrospektiven Charakter, wie es für eine Band im Herbst ihres Schaffens charakteristisch ist. Doch was mit Ozzy und Bill Ward nicht geklappt hatte, war mit Ronnie möglich: ein neues Studioalbum aufzunehmen.
Heaven & Hell – The Devil You Know
Es bestehen nur geringe Zweifel daran, daß dieses 2009er Album ein Black-Sabbath-Album ist, ungeachtet des anderslautenden Band-Namens auf dem Cover. Dafür spricht neben der bewährten B-Besetzung mit Iommi, Butler, Dio und Appice die Verwendung des langjährigen Sabbath-Maskottchens Henry.
Dieser geflügelte Dämon war zum ersten Mal auf der Innenseite des Albums „Never Say Die“ aufgetaucht und seitdem immer wieder auf Merchandiseprodukten der Band verwendet worden. Ursprünglich prangte er mal Mitte der 70er Jahre auf einem Konzertplakat, ohne Zutun der Band, aber zu ihrem Pläsier, also wurde er adoptiert, vermutlich ohne Tantiemen an den Künstler. Musikalisch bietet „The Devil You Know“ ebenfalls Bewährtes. Schleppende, doomige Gitarrenriffs hintermalt mit wahrnehmbarem Baßsound, überlagert von Dios markanter Stimme. Inhaltlich spart Ronnie nicht mit religiösen Anspielungen und düsteren Motiven.
„Follow the Tears“:
Die das Album begleitende Tour führte Black Sabbath Heaven & Hell auch zum Wacken Open Air, was Dios letzter großer Auftritt werden sollte. Denn eine Krebserkrankung zwang ihn zur vorzeitigen Beendigung der Tour, und am 16. Mai 2010 verstarb Ronnie James Dio und nahm seine großartige Stimme nebst der Manu Cornuta mit ins Grab.
13
Mit Dios Tod blieb die Besetzung Iommi/Butler/Osbourne/Ward als einzige Sabbath-Variante stehen, ohne freilich zunächst aktiv zu sein. Erst Mitte 2011 verdichteten sich Gerüchte betreffs einer erneuten Wiedervereinigung, die schließlich gegen Jahresende von Black Sabbath offiziell bestätigt wurden: Im Jahre 2012 sollte es ein neues Studioalbum in Originalbesetzung mit anschließender Tour geben. Doch dann erkrankte Tony Iommi an Krebs, was verständlicherweise den Beginn der Studioaufnahmen verzögerte. Und als schließlich Iommis Krebs so weit eingedämmt war, daß es hätte losgehen können, gab Bill Ward seinen Ausstieg aus Black Sabbath bekannt. Von Seiten der Band wurde die wackelige Gesundheit des Drummers als Grund für dessen Rückzug angegeben, immerhin hatte er schon 1998 einen Herzinfarkt erlitten, und eine komplette Tour am Schlagzeug sei ihm in seinem Alter nicht mehr zuzumuten. Ward selbst begründete seinen Ausstieg freilich mit einem nicht unterzeichnungswürdigen Vertrag, der ihm vorgelegt worden sei, sein Gesundheitszustand sei einwandfrei. Wie dem auch sei, schade, aber anstelle Bill Wards ist auf dem 2013er Album „13“ Rage Against The Machines Drummer Brad Wilk am Schlagzeug zu hören, die anschließende Promotour absolvierte Tommy Clufetos. Nun können die Jungs also auf ihrer Autogrammkarte vermerken, daß sie mal der legendären Band Black Sabbath angehört haben, aber große Zuneigung dürfen sie dafür leider nicht erwarten, denn die Fans nahmen die Nachricht vom Ausstieg des Gründungsmitglieds Bill Ward mit Unverständnis und Bitterkeit zur Kenntnis. Zu allem Überfluß trat als Produzent Rick Rubin in Erscheinung, der schon Metallicas Album „Death Magnetic“ soundtechnisch verhunzt hatte. Oder haben soll; ich merke sowas ja nie. Musikalisch knüpft „13“ durchaus an das Heaven&Hell-Abum an, freilich mit der markanten Stimme Ozzy Osbournes statt der andersartig markanten Stimme Ronnie James Dios. „Age of Reason“:
Die Wiedervereinigung mit Ozzy Osbourne hatte Hoffnungen genährt, wieder so ein inspiriertes Album zu erhalten, wie es „Paranoid“, „Master of Reality“ oder „Vol.4“ gewesen waren. Aber das war wohl nicht zu erwarten, denn es lagen ja 25 Jahre zwischen dem letzten Sabbath-Album mit Ozzy-Beteiligung und diesem Werk. Es wird daher nicht allein am Fehlen Bill Wards gelegen haben, daß „13“ durchaus anders klingt als die Werke der klassischen Ära, langsamer, doomiger, ohne die vielfachen Rhythmus- und Melodiewechsel. Ich finde „13“ nicht schlecht, aber es vermag auch nicht zu begeistern. An Songmaterial mangelte es der Band jedenfalls nicht; das Album ist als abgespeckte Normalversion mit acht Liedern, als Deluxe-Edition mit drei weiteren Liedern, oder als Superduperdeluxe-Verion mit gar einem vierten Bonustrack zu bekommen. Und es blieben sogar noch Songs übrig.
The End
Möglicherweise unter dem Eindruck von Tony Iommis Krebserkrankung, die weiterhin therapeutische Maßnahmen erforderte, gab Black Sabbath 2015 bekannt, daß die 2016 beginnende Welttournee „The End“ die Abschiedstour sein werde. In Originalbesetzung, mit Bill Ward? Nein. Grmpf. Am Schlagzeug saß weiterhin Tommy Clufetos. An den Souvenirständen wurde während der Konzerttour die EP „The End“ verkauft, die neben vier Liveaufnahmen, die auf der vorangegangenen Tour entstanden waren, vor allem vier neue Songs enthielt, die wohl bei den Aufnahmen des Albums „13“ übriggeblieben waren. Zum Beispiel „Cry All Night“:
Mit 54 Minuten Spieldauer ist diese EP länger als so manches Studioalbum von Black Sabbath, und das ließen sich die alten Herren auch fürstlich bezahlen. Wie ich irgendwo las und jetzt nur aus der Erinnerung krame, hat die CD im Pappschuber 30 Euro gekostet, von Ozzy, Toni und Geezer signerte Exemplare gleich mal 90 Euro. Oder irgendwie so. Jedenfalls sollte diese CD natürlich exklusiv den Konzertbesuchern vorbehalten bleiben, was sie nicht blieb, denn im Internet gibt’s ja alles.
The End (4 February 2017 Birmingham)
Das Ende war nahe, am 4. Februar 2017 war es soweit. Und was Iommi, Butler und Osbourne eventuell an Stil im Umgang mit ihrem alten Kameraden Bill Ward haben vermissen lassen, das machten sie mit der Wahl des Schauplatzes ihres finalen Konzerts wieder wett. Das konnte nur Birmingham sein! (Und war es auch.) Es wurden keine Songs von „13“ gespielt, sondern ausschließlich Klassiker der ersten sieben Alben, beginnend mit „Black Sabbath“, gipfelnd in „Paranoid“, dazwischen „Fairies Wear Boots“, „Under the Sun/Every Day Comes and Goes“, „After Forever“, „Into the Void“, „Snowblind“, „War Pigs“, „Behind the Wall of Sleep“, „Basically/ N.I.B.“, „Hand of Doom“, ein Meddley aus „Supernaut, Sabbath Bloody Sabbath, Megalomania“, „Iron Man“, „Dirty Woman“ und „Children of the Grave“, wie es sich gehört, mit „Embryo“-Intro. Tommy Clufetos wurde ausgepfiffen, als Ozzy die Band vorstellte, weil er halt leider nicht Bill Ward ist; kann er ja auch nichts zu. Er konnte aber mit dem Drum-Solo in „Rat Salat“ glänzen. Freundlicherweise stellen Black Sabbath den Konzertausschnitt mit „Children of the Grave“ auf ihrem Youtube-Kanal selbst zur Verfügung, drum:
Das war’s also mit Black Sabbath. Haben sie denn nun den Heavy Metal erfunden?
Weiß ich nicht. Sie selbst sahen sich wohl eher neben Deep Purple und Led Zeppelin im Hard Rock, verwurzelt im Blues, mit Ausflügen in den Progressive Rock. Zur Metal-Band machte sie Ronny James Dio eigentlich erst, nachdem es die richtigen Metal-Bands wie Iron Maiden und Judas Priest schon gab. Aber ist ja auch egal, ihr Einfluß auf die erwähnten richtigen Metal-Bands ist jedenfalls unbestreitbar.
Ich fand von Beginn meiner Entdeckungstour an reizvoll, daß Ozzy Osbourne, der Prince of Darkness und Godfather of Heavy Metal, eigentlich ein alter Hippie ist, daß Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward Blues spielten, bloß mit heruntergestimmten Instrumenten. Und in der Tat sind die frühen Werke der Band in Urbesetzung die besten, so gut Ronny James Dio auch singen kann, und so bemüht Tony Martin auch war, dem Namen Black Sabbath gerecht zu werden. Das machte es allerdings schwierig, Alben wie „Tyr“ oder „Forbidden“ überhaupt anzuschaffen, denn der örtliche Saturn führte sie gar nicht, und über Amazon waren sie schließlich auch nur aus zweiter Hand zu bekommen. Aber dafür ist man ja Sammler.