CD-Regal revisited: Pink Floyd (5)

5. Juni 2019

Der Titel ist fehlgeleitet, denn der Chronologie gemäß müßte jetzt vermutlich die Kompilation „The Best of The Pink Floyd“ folgen, welche ich nicht besitze, schon gar nicht als CD. Als Veröffentlichungsdatum für jene Scheibe finde ich überall nur „1970“ angegeben, also könnte sie durchaus auch nach dem Album „Atom Heart Mother“ (AHM) aus demselben Jahr erschienen sein. Jedoch sind hier nur Songs von Singles und Alben versammelt, die vor 1970 erschienen, und AHM kam erst im Oktober 1970 raus, also gehen wir mal davon aus, daß dieses Best-of die Wartezeit bis zu ebenjenem Album überbrücken sollte.

Warum die Scheibe ausgerechnet „Best of“ genannt wurde, ist nicht ganz einsichtig, denn im Wesentlichen handelt es sich um eine Zusammenfassung der ersten vier Singles, ergänzt um zwei Songs vom Debütalbum, die ich persönlich allesamt nicht als das Beste von Pink Floyd bezeichnen würde. Interessant ist die Zusammenstellung dennoch, da die Songs jener Singles ja bis auf die Ausnahme „Scarecrow“ nicht auf Alben erschienen waren. Wären statt der Songs „Mathilda Mother“ und „Chapter 24“ vom Album „The Piper at the Gates of Dawn“ die beiden Songs der fünften Non-Album-Single „Point me at the Sky“/“Careful with that Axe, Eugene“ auf die Scheibe gekommen, wäre es eine perfekte Single-Kompilation gewesen. So halt nicht.

Ebenfalls erwähnenswert ist, daß nahezu alle Songs aus der Ära Syd Barretts stammen, welcher zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser LP aber längst durch David Gilmour ersetzt war. Das Titelkupfer der Erstauflage dieses Albums zeigt darob ein Gruppenfoto Pink Floyds mit David. Das ist, als würde Metallica im Booklet zu „St. Anger“ den Bassisten Robert Trujillo nennen, obwohl dieser zum Zeitpunkt der Aufnahmen fürs Album noch gar nicht in der Band war. (Ach so, hamse ja auch. Egal.)

Jedenfalls. Dieses Album besitze ich, wie gesagt, sowieso nicht. Was ich hingegen zufälligerweise besitze, weil ich es im Gebraucht-CD-Laden mit Plattenkeller nicht stehenlassen konnte, ist eine Wiederveröffentlichung dieses Albums unter dem hochtrabenden Namen „Masters of Rock: Pink Floyd“ (Vol. 1):

(Wie eine just erfolgte Internetrecherche soeben ergab, gibt es weitere Titel der Masters-of-Rock-Serie, wo dann der Union Jack gegebenenfalls durch das Star Spangled Banner ersetzt ist. Vol. 2 beschäftigt sich mit der Band Grand Funk Railroad, Vol. 3 mit der Steve Miller Band, Vol. 4 mit Steppenwolf, Vol. 5 Jeff Beck; des weiteren gibt es noch Ausgaben mit Rare Earth, Geordie, The Band, East of Eden, der Edgar Broughton Band, Wizzard und dem Electric Light Orchestra, alle in ähnlicher Aufmachung wie das gezeigte Album.)

Da die meisten Stücke auf diesem Sampler (um also mal zurück zu Pink Floyd zu kommen) auch in anderer Form veröffentlicht wurden, sei als Höreindruck „It Would Be So Nice“ gegeben, ein Lied aus der Feder Rick Wrights. Syd Barrett war nicht mehr zurechnungsfähig oder gar schon aus der Band entfernt worden, so daß er als Hit-Autor nicht mehr zur Verfügung stand; also versuchten die anderen Band-Mitglieder nun, in seinem Stil Hit-Singles zu schreiben. Das mißlang, die Single fiel an den Kassen der Plattenläden durch und schaffte es 1968 nicht in die Charts. Hören wir dennoch mal rein:

Ach, hier ist David Gilmour doch zu hören. Dem Vernehmen nach mögen die anderen Bandmitglieder diesen Song nicht, es wurde sich mehrfach abfällig über die Komposition, den Text und den Gesangsstil geäußert. Ob dies eine Reaktion auf den ausbleibenden Erfolg war oder tatsächlich ihrer Meinung entsprach, bleibe dahingestellt. Immerhin veröffentlichten sie das Lied nicht als B-, sondern sogar als A-Seite der ursprünglichen Single. Nach der Best-of-Scheibe jedoch verbannten sie es für lange Jahre in den Giftschrank.

Atom Heart Mother

Als ich diese CD damals, so ungefähr 1998 oder 99, erstmals in mein CD-Radio einlegte, war ich zunächst etwas verstört. Auf einen Mißakkord, der an den Auftakt zur „Ode an die Freude“ erinnert („Oh Frooohohohohoinde! Nicht soholche Töne!“), folgt ein über 20 Minuten langes Orchesterstück mit Motorrad, Band und Chor. Das hatte ich nicht erwartet. Es handelt sich auch keineswegs bloß um die Band mit Orchesterbegleitung, wie auf Metallicas „S&M“ exerziert, sondern Orchester und Chor tragen große Teile der Komposition. Entsprechend teilen sich Mason, Gilmour, Waters und Wright die Writing-Credits mit Geesin. Den Vornamen dieses Menschen mit dem Nachnamen Geesin erfährt man weder aus dem Booklet der CD, noch ist er irgendwo auf der Hülle der Langspielplatte vermerkt. Auf der Plattenhülle scheint die Kuh übrigens schwarzbunt zu sein, während sie auf der CD rotbunt wirkt; ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll! Einerlei. Pink Floyd nahmen jedenfalls für ihre ehrgeizigen Orchesterpläne die Unterstützung Ron Geesins in Anspruch, welcher aus den unzusammenhängenden Melodiefetzen, die ihm die vier Jungs vorlegten, erst die Suite arrangierte und die Orchesterpassagen dazu komponierte. Derlei lag im Trend, hatten doch Deep Purple nach ihrem orchestral begleiteten Song „April“ gleich ein ganzes „Concerto for Group and Orchestra“ aufgeführt und eingespielt. Pink Floyd führten die Hybris jedoch so weit, daß sie die Atom Heart Mother Suite in ihr Tourprogramm integrierten, inklusive Blechblasensemble und Chor. Was dazu führte, daß diese Tour bald mehr Geld kostete als sie einbrachte, aber: Die Kunst! Im Nachhinein äußerten sich die Floyd-Mitglieder wieder mal kritisch über dieses Stück. Sie konnten es sich also wohl selbst nicht recht machen.

Zweifellos ist die Suite der Höhepunkt des Albums. Es folgen die Lieder „If“ aus der Feder von Roger Waters, „Summer ’68“ von Rick Wright und „Fat Old Sun“ von David Gilmour. Den Abschluß bildet eine experimentelle Soundcollage mit Melodieunterbrechungen des Titels „Alan’s Psychedelic Breakfast“, für die es wohl nicht den Hörspielpreis der Kriegsblinden gegeben hätte. (Hat es nicht.) Für meinen Freund Claudius fiele das Stück wohl in die Kategorie „Unanhörbar“. Als Musikgenuß taugt es in der Tat kaum, doch der Hauptteil des Albums ist sehr gut hörbar, wenn man sich darauf einläßt. „Fat Old Sun“ lernte ich erst über Live-Mitschnitte dank Youtube wirklich schätzen, aber der Song „Summer ’68“ hatte es mir schon früh angetan:

Des Albums Name war ein Zufallsfund. Die Band wußte nicht, unter welchem Namen sie ihr neuestes Werk promoten sollte. Beim Durchblättern der Zeitung fiel der Blick auf einen Artikel des Inhalts, daß eine Frau mit einem Herzschrittmacher ein gesundes Kind zur Welt gebracht habe, wobei der Herzschrittmacher nuklear betrieben war. 1970 eine Sensation! Die Überschrift „Atom Heart Mother“ dünkte Pink Floyd titelwürdig, nicht nur für das 24-Minuten-Stück, sondern für das komplette Album.

Der CD liegt ein Klappkärtchen bei, das zwei Rezepte enthält, deren Urheber nur Brite sein kann, ungeachtet der vorgeblichen Herkunft:

Hier muß der Autor unbedingt fränkische Spracherfahrung besitzen. Gleichzeitig sind die Rechtschreibfehler von einer Art, die nur jemand vor Drucklegung durchgehen lassen kann, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Das Rezept auf der Rückseite ist weniger ein intelligentes Frühstück als vielmehr Sättigung für die Massen.

Psychedelisch? Ganz sicher.
Irgendwann 1970 wurde auch noch der Soundtrack zum Film „Zabriskie Point“ veröffentlicht, der Beiträge von Pink Floyd enthält. Aber den hatten wir ja schon. Darum geht’s 1971 weiter mit

Relics

Dieses Album war vermutlich einer meiner frühen Blindkäufe, da ich das Titelbild so ansprechend finde. Das Cover der Digitally-re-mastered-CD zeigt ein phantastisches Musikinstrument, eine Art Dampforgel mit Tausendzassa-Beiwerk im Stile des Steam Punk, ziemlich cool.

Daß es sich dabei um ein Kompilationsalbum handelt, merkte ich erst zu Hause beim Durchhören, weil mir auffiel, daß ich einige Lieder schon von „The Piper at the Gates of Dawn“ kannte. Unmittelbar ärgerte ich mich, denn Sampler fand ich immer doof, weil ich die Dopplung von Songs auf der Sammel-CD und auf deren eigentlichen Alben als Ressourcenverschwendung empfand. Und prinzipiell immer noch empfinde. Jedoch waren mindestens sechs der elf Songs für mich neu, da es sich um solche von Non-Album-Singles handelt, insofern ärgerte ich mich dann doch nicht so fürchterlich. Weshalb freilich Pink Floyd innerhalb von zwei Jahren zwei Compilations mit sich überschneidendem Inhalt veröffentlichten, ist nur schwer nachzuvollziehen. Zumal „Relics“ zwar nicht deckungsgleich ist mit „The Best of Pink Floyd“ (s. o.), aber eben auch erneut nicht ein komplettes Single-Album darstellt, sondern dieses Mal sogar fünf Songs von älteren Alben enthält. Die Single-B-Seite „Careful With That Axe, Eugene“ kam neu hinzu, dessen A-Seite „Point Me At The Sky“ ließ man jedoch weg. Neu ist auch der Song „Biding My Time“, der zuvor unveröffentlich war, jedoch im Live-Programm der Band gespielt wurde. Der Song „Embryo“, der ebenfalls zu jener Zeit ein Live-Dauerbrenner war, schaffte es erneut nicht auf diese Scheibe. Das alles wußte ich natürlich damals nicht, sondern mich ärgerten bloß die Songs, die ich eh schon auf den jeweiligen Alben hatte.

Sehr viel später erfuhr ich erst aus diesem Internet, daß die tolle Dampforgel nicht in dieser Form auf dem originalen Vinyl-Album abgebildet gewesen war. Das obig abgebildete Modell ist ein Nachbau, der eigens für die remasterte Neuauflage der CD zusammengezimmert wurde. Ursprünglich zierte das Cover eine Zeichnung von Nick Mason höchstpersönlich.

Auf Nick Masons Zeichnung ist der programmatische Untertitel des Albums besser zu erkennen als auf dem Foto des Nachbaus in CD-Booklet-Größe: „A bizarre collection of antiques & curios“. Eine bizarre Zusammenstellung ist das in der Tat.
Als den einzigen Song, der ausschließlich auf diesem Album enthalten ist, möchte ich „Biding My Time“ zu Gehör bringen, da dieser den Mehrwert der Kompilation darstellt. Es beginnt harmlos als ruhige Blues-Nummer und steigert sich schließlich zu einer furiosen Jam-Session, welche den Live-Ursprung des Liedes erkennen läßt.

Das wird nicht er letzte Blues-Song von Pink Floyd gewesen sein.