Aberglauben.

7. Juni 2020

Wieviel Glück muß man eigentlich haben, um im 21sten Jahrhundert mitten in der Stadt ein Hufeisen am Straßenrand zu finden? So geschehen mir gestern. Der Straßenrand ist die begraste Umfassung eines ehemaligen Straßenbahnoberleitungspfostens a. D., und ich gehe jeden Tag daran vorbei. Das Bändel am Hufeisen mag darauf hindeuten, daß es nicht direktermang einem Pferd die Schuhe ausgezogen hat, sondern das Ding irgendwo als Deko an der Wand hängen sollte und beispielsweise bei einem Umzug verloren ging. Wieviel Pech muß eigentlich jemand haben, um ein Hufeisen zu verlieren? Als Fußgänger!

Wenn ich noch wüßte, zwischen welche Buchseiten ich es einst zum Trocknen steckte, könnte ich auch das Beweisfoto eines von mir selbstgeernteten vierblättrigen Kleeblatts beibringen. Ungefähr 1994, auf der Wiese unseres Ferienhauses auf Amrum, bückte ich mich in der Ecke, in welcher der Klee wucherte, und zupfte, ohne hinzugucken, irgendein Blättchen heraus. Es hatte vier Blätter. Um den Nimbus nicht zu zerstören, prüfte ich lieber nicht nach, ob das für alle Kleepflanzen in jener Wiesenecke zutraf.

Dabei bin überhaupt nicht abergläubisch. Nee, ehrlich. Das gefundene Hufeisen halte ich vor allem für eine Kuriosität, und ich brauche keine dem Volksglauben nach mystischen Gegenstände und Talismane als Glücksbringer. Auch erschließt sich mir nicht der Zusammenhang zwischen dem Teddy auf dem Pult der Wer-wird-Millionär-Kandidatin und der Beantwortbarkeit der zufällig zugewiesenen Fragen. Zumal die ja dann doch alle nicht bis zur Million kommen. Macht das eigentlich niemanden stutzig?

Meine frommen Eltern würden Aberglauben ungefähr als etwas definiern, was Menschen glauben, ohne daß es Teil der ortsüblichen Religion wäre bzw. derselben widerspricht, mithin alles von Katholizismus (Hostien, Heiligenverehrung, Mariä Himmelfahrt) über Anthroposophie (Die Lehren Rudolf Steiners stehen halt nicht in der Bibel) und Homöopathie (reine Glaubenssache) bis hin zu den folkloristischen Aberglaubenstopoi wie Handlesen, Kartenlegen, Talismane und Astrologie (um nur eine Auswahl zu nennen). Wäre da nicht ihre Frömmigkeit, könnte man meine Eltern also fast als aufgeklärte Skeptiker bezeichnen, die mir beibrachten, nicht jeden Hokuspokus unhinterfragt zu glauben. Aber auch abseits der Erziehung ließ ich mich von Helden der Kindheit beeinflussen. Da wäre zum Beispiel der Mann, der schneller zieht als sein Schatten:

Glücklicherweise übernahm ich lediglich Lucky Luke’s* eher rationale, um nicht zu sagen: unzeremonielle Herangehensweise an realweltliche Probleme, nicht seine Liebe zum Toback. Es kommt ihm also nur eine selektive Vorbildfunktion zu.

*) Diese Verwendung des Apostrophen schaute ich mir bei Thomas Mann ab. Im „Zauberberg“ apostrophierte er bei fremdländischen Namen (Settembrini) das Genitiv-s, weil der deutsche Leser möglicherweise die Form- und Lautgestalt des Grundworts nicht kennte. Es ist dies also kein Deppenapostroph.

Und auch der andere Comic-Held meines Vertrauens zeigt Tendenzen zu abgeklärter Vernünftigkeit.

Augenfällig an obigem Bild ist auch die Gewandung des Sehers. Um seine zur Schau gestellte „Gabe“ der Prophetie dem gutgläubigen Volk plausibel zu machen, wählte er ein ominöses Erscheinungsbild. Klappern gehört zum Handwerk. Was wäre ein katholischer Gottesdienst ohne prunkvolle Gewänder und unverständliches Latein? Was wäre eine schamanische Geistheilung ohne Federschmuck und magisches Gemurmel? Und warum sehen Fernsehastrologen immer so wallend und klunkerbehangen aus? Zumindest gemäß meinen wenigen, unbeabsichtigten Stichproben im Zuge unmotivierten Herumzappens sehen sie das. Jedenfalls mißtraue ich all diesen ostentativen Attributen des Magischen zutiefst.

Hach ja, die Astrologie. Wenn mich jemand nach meinem Sternzeichen fragt, nenne ich immer irgendwas. Prinzipiell müßten die ja mein Sternzeichen anhand meines Charakters erkennen, angeblich gibt es doch da eindeutige Zuordnungen.
Allen antiken Kulturen ist gemein, daß sie Astrologie betrieben. Unbeleckt von industrieller Lichtverschmutzung konnten die Menschen nächtens den Blick über die volle Breite der Milchstraße („Galaxie“) wandern lassen, und so, wie sie Gebilde in Wolkenformationen identifizierten, identifizierten sie auch Gebilde in Sternformationen, bloß blieben die Sterngebilde im Unterschied zu den Wolken augenscheinlich immer dieselben, bewegten sich starr über den Himmel. Und zwischen den fest verankert, also fixierten, Fixsternen bewegten sich die frei beweglichen Planeten, ebenfalls als Lichtpunkte, weil auch sie, wie der Mond, von der Sonne angestrahlt werden, was die Leute damals aber nicht wußten, weshalb man Planeten auch Wandelsterne nennt. Was dort oben am sternenvollen Himmelszelt vor sich ging, konnte doch kein Zufall sein, konnte es? Zumal ja gleichzeitig hinieden auch Dinge sich ereigneten, parallel zu den sich ändernden Sternenformationen und Planetenstellungen. Da mußte doch ein Zusammenhang bestehen, mußte er? „Draußen regnet’s, drinnen spielen sie Brahms“, pflegte mein Vater zu sagen; soviel zum Zusammenhang. Korellationen sind keine Kausalitäten.

Die Grundlage der heute praktizierten Astrologie ist die antike Astrologie, immerhin geht es um dieselben Sterne. Und man würde ja wohl nicht annähernd ununterbrochen seit Tausenden von Jahren diese Kunst ausüben, wenn sich die Horoskope nicht als zuverlässige Anhaltspunkte zur Lebensbewältigung und Entscheidungsfindung bewährt hätten, würde man? (Spoiler Alert: Man würde.)

Wenn ich das richtig verstanden habe, wofür es keine Garantie gibt, ist für eine astrologische Vorhersage oder ein Horoskop die Stellung der Planeten zueinander und zu den Sternbildern entscheidend. Den Sternbildern und Planeten sowie der Sonne und dem Mond sind jeweils Eigenschaften, Symbolismen, Wertigkeiten und was weiß denn ich! zugeschrieben, und auf die Kombination all dessen kommt es an. Abgesehen davon, daß ich mir die Frage stelle, woher denn die Erdenbewohner wissen wollen, welche bedeutungsvollen Eigenschaften einer doch letztendlich zufällig zu einer benamsten Konstellation gruppierten Anzahl Sterne innewohnen; und außer Acht lassend, daß unterschiedliche Kulturen rund um den Globus jeweils andere Sterne (zum Teil solche, die in anderen Teilen der Welt gar nicht zu sehen sind) zu jeweils anderen Konstellationen mit jeweils anderen zugeschriebenen Eigenschaften zusammenfaßten; und ignorierend, daß die Menschen des Altertums die Erde, auf der sie lebten, gar nicht als einen der Wandelsterne erkannten, die da fix über den Himmel zischten, sondern sie als den Mittelpunkt betrachteten, um den sich alles dreht; all dies vernachlässigend gibt es einen weiteren Grund, weshalb noch nie, noch nie ein Horoskop gestimmt haben kann: Das Inventar ist einfach nicht vollständig.

Im Altertum schauten die Sternkundler in den Himmel und sahen mit bloßem Auge – zugegeben – sehr viel mehr Sterne als wir. Außerdem sahen sie die Sonne, den Mond, ab und zu einen Kometen, bisweilen Sternschnuppen, ganz selten Supernovae, und sie sahen die fünf Planeten. Auf dieser Grundlage erstellten sie ihre Horoskope oder wie auch immer sie es nannten; sie deuteten die Sterne. Fünf Planeten? Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn.

Und was ist mit Uranus? Was ist mit Neptun? Was ist mit Pluto, ganz gleich ob Planet oder Planetoid? Was ist mit Ceres, mit Sedna, mit Haumea, Quaoar und wie sie alle heißen? Was ist mit den einzelnen Gesteinsbrocken im Astereoidengürtel, was mit den Objekten in der Oortschen Wolke? Ist nicht letztlich jedes Staubkörnchen in den Ringen des Saturn ein Objekt, welches für sich genommen und in Konstellationen mit anderen derartigen Objekten eine Eigenschaft und Bedeutung haben müßte, wie sie auch die damals bekannten Objekte im Universum zugesprochen bekamen? Zwar sind all diese Planeten und Planetoiden, Meteoriten und Asteroiden mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen (außer Uranus, wenn man ganz genau hinschaut und weiß, wo man suchen muß, was die Alten aber nicht wußten), nichtsdestotrotz sind sie da. Sie haben physikalische Eigenschaften, die sie den immer schon bekannten Planeten gleichstellen, also müßten sie auch metaphysikalisch vergleichbare Eigenschaften haben und Einfluß auf die Geschicke der Erdenmenschen nehmen. Doch mehrere tausend Jahre lang wurde dieser Einfluß qua Unkenntnis beiseite gelassen, von dem Einfluß, den die Abermilliarden anderen Galaxien außerhalb unserer Milchstraße haben müßten, gar nicht zu reden. Im Lichte dieser Erkenntnis kann ich nur zu einem Schluß kommen: Noch nie hat ein Horoskop alle Faktoren berücksichtigt, also kann noch nie ein Horoskop gestimmt haben. Sollte mal etwas wie vorhergesehen eingetroffen sein, ist das allenfalls auf den Zufall zurückzuführen.

Doch zurück zum Hufeisen. Es ist das Symbol für das Pferdewesen und den Reitsport, nicht zuletzt bei Lego. Es erhebt sich über dem Reiterhof 6379 ebenso, wie es das Hemd der Paradisa-Pferdewirtin ziert. Hat man ja alles. Und weil dieses Emblem so schön plakativ in Rittertradition auf der Brust der ProtagonistInn*en prangt, hob ich just ein neues Rittergeschlecht aus der Taufe:

Dies müssen die wahren Glücksritter sein. Ach nee, glaube ich ja nicht.


Messer, Lego, Feuer, Licht…

8. Oktober 2014

…sind für kleine Kinder nicht. So sieht’s nämlich aus! Elendes Gerede von „Kinderspielzeug“ und so. Der Absender dieses Päckchens, das mich gestern erreichte, wußte: Lego gehört nicht in Kinderhände.

Ja, selbstverständlich war da Lego drin.


Obskures Objekt.

15. September 2014

Bricklink hat sich (im Jahre 2011 bereits) für den Meilenstein des fünfzigtausendsten Katalogeintrags ein ganz besonderes Teil ausgesucht, nämlich das seltsame Teil mit der Formnummer 6626. Passenderweise wurde es als „Obscure 50,000th Catalog Item“ benamst, denn es ist unbekannt, was es kann und woher es stammt. Werfen wir mal ein, zwei, drei Blicke drauf:

Ein Größenvergleich ist zur Einordnung hilfreich.

Das Teil läßt sich auf vier oder auf zwei Noppen aufstecken, letzteres allerdings nur in eine Richtung.

Alles schön und gut, aber was ist das? Lego baut sich doch nicht eine Form und spritzt Teile, ohne damit einen Zweck zu verfolgen! Die kleinen versetzten Schlitzchen erwecken den Eindruck, als solle da irgendwas einrasten, die große Vertiefung in der Mitte könnte ein Widerlager für einen Hebel oder ähnliches sein. Die durchgehenden Streben wirken wie eine Schiene. Da das Teil kleiner als eine 2×2-Platte ist und an den Endseiten der Streben jeweils zwei gefaste Verlängerungen aufweist, ist es vielleicht dazu gedacht, als ganzes irgendwo eineklippst zu werden. Möglicherweise ist dieses Element ja ein Bauteil im Innern einer größeren mechanischen Apparatur. Dagegen spricht freilich, daß das Teil auf Noppen gesteckt werden kann. In diesem Zusammenhang sind die gefasten Überstände hilfreich beim Ablösen. Es ist ein Rätsel.

Meine Helferlein wissen sich darauf ebenfalls keinen Reim zu machen.

Nachtrag am 17.09.2014:
Fall gelöst. Danke, Brixe!


Redundanz, irgendwie.

14. März 2014

Redundanz bezeichnet eine Information, die ohne Bedeutungs- bzw. Informationsverlust weggelassen werden kann. Überflüssiges insofern. Meiner Meinung nach überflüssig war es zum Beispiel, daß Lego sich bis in die 1990er Jahre des verwichenen Jahrhunderts zwei, eigentlich drei Eisenbahnsysteme gleichzeitig leistete. Nämlich Schiebezüge und 4,5-Volt-Batteriebahnen sowie eine trafobetriebene 12-Volt-Anlage. Die Schiebe- und Batteriezüge konnten auch auf den 12-Volt-Schienen fahren, die 12-Volt-Züge jedoch nicht auf einer reinen Schiebe- bzw. 4,5-Volt-Anlage, weil die Trafoversorgung zusätzliche Schienen für die Stromaufnahme erforderlich machte.

7822-fahrplan

Soweit, so gut. Das Dumme an der Sache war freilich, daß gewisse Sets ab Werk mit Gleisen ohne Stromführung kamen, also nicht ohne Weiteres mit 12-Volt-Zügen angefahren werden konnten. Und das, obwohl sie auf ihrem Fahrplan großspurig die Ankunft prominenter 12-Volt-Züge ankündigten, wie es der Bahnhof 7822 tat, ohne Strom zu liefern. Wer hier auf 7740, 7750, 7730 und 7760 wartet, braucht Sitzfleisch. Und welche Minifig hat schon Sitzfleisch?

Eine ganz andere Frage wirft die avisierte Ankunft der Sets 7814 und 7820 auf. In Worte gefaßt lautet die Frage: „Häh?“ Die Antwort müßte lauten:

7820-7822-446

Sitzfleisch hamse vielleicht nicht, aber Muckis!

Na gut, Stromführungsschienen gab es einzeln, 7854, aber da waren dann gleich 8 Stück drin; das sind auch wieder zu viele. Obwohl, mal nachrechnen. 4 fehlen im Bahnhof 7822, 2 fehlen im Güterbahnhof 7838, und 2 blieben dann noch übrig, um den Bahnübergang 7835 aufzurüsten. Also was echauffiere ich mich überhaupt?

Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie ernüchternd: „Content!“ Jawohl, wo ein Blögchen will gefüllt sein. Und wenn man nichts zu sagen hat, saugt man sich halt was aus den Fingern. Redundanz, sozusagen. Informationsgehalt gleich Null. Aufgehübscht durch einige schlechtbeleuchtete Bilder von nostalgischen Lego-Sets.

7755-7838-446

Jedenfalls. Das Schienensystem von zweierlei Art stellte das Kind vor logistische Herausforderungen. Um etwa den Schüttgutwagen aus dem Güterbahnhof 7838 zu ziehen, mußte sich zum Beispiel die schwere Diesellok 7755 von hinten anschleichen, vorsichtig in den nicht elektrifizierten Gleisabschnitt hineintasten und den herrenlosen Waggon daraus befreien. Das brachte zwar sicherlich Spielspaß, war aber trotzdem irgendwie überflüssig. So überflüssig wie dieser Beitrag an den Iden des März.


Tap Dance.

19. Januar 2014

Hätte den Spengler der Bauernschaft Billund eines Tages der Hafer gestochen, und er hätte sich eine Spritzgußmaschine angeschafft und Plastikspielzeug hergestellt, dann wäre das oben dargestellte Malheur vielleicht ausgeblieben. Aber so war es der Tischler, und der hat sich den Wasserhahn irgendwie geschnitzt. Wobei mir schleierhaft ist, wie das passieren konnte; denn beide Teile auf dem Bild tragen dieselbe Formnummer in Innern: „3 01“.

Aber mit Wasserhähnen hamses in Billund. So auch hier:

Seit 1984 gibt es diesen Düsenaufsatz, verwendet als Feuerlöscher, Wasserhahn, Schalthebel und so weiter. Irgendwo wurde das Teil vielleicht mal so verwendet, daß das imaginäre Wasser nicht aus der vorderen Düse, sondern aus dem Standfuß tröpfeln sollte. Und bei der nächsten fälligen Generalüberholung der Spritzgußform dachte sich ein schlauer Mensch: Wie wäre es denn, wenn wir bei dem Teil ein Loch im Fuß hätten? Gesagt, getan.

Weshalb dafür das eigentlich vorgesehene Loch in der Düse entfallen mußte, entzieht sich wiederum jeder nachvollziehbaren Erklärung. Ich habe jedenfalls keine, und darum ist hier Schluß.


Lego grummelt zurück.

2. Mai 2013


Unter den Figuren der Sammel-Minifig-Serie 10 befindet sich dieser ältere Mitbürger mit Teetasse und Nostalgiezeitschrift. Bemerkenswert ist das eigens entworfenes Haarteil; nee, das Kopfteil, das ein Haarteil nötig hätte. Die Charakterzeichnung wird ergänzt durch Schnauzbart, Kassengestell, Hosenträger und bauchdeckendes Beinkleid in typischer Kolorierung. Die aufgesetzte Glatze wirkt zwar ein wenig wie eine fleischfarbene Badekappe (huahua), aber im großen und ganzen ist die Figur liebevoll gestaltet und darf als gelungen bezeichnet werden.

Doch viel bemerkenswerter ist, was Lego auf der offiziellen Homepage dieser Figur ins Profil geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob der Link dorthin dauerhaft oder überhaupt funktioniert, darum erlaube ich mir zur Sicherheit ein Zitat:

Großvater

„Früher war alles viel besser!“

Wenn es nach dem Willen des Großvaters ginge, wäre das Leben heute noch genau so wie in seiner Jugend, und er lässt keine Gelegenheit aus, um das zu sagen. Man muss nur erwähnen, dass die alten braunen LEGO® Steine schöner waren als die neuen, und er wird antworten, dass es in seiner Kindheit sowieso nur rote LEGO Steine gab und man froh war, wenn man überhaupt welche hatte.

Schon seit der Einführung der ersten Spielthemen stören den Großvater alle modernen Teile: Türen, Fenster – überhaupt alle Elemente, die nicht aussehen wie ein ganz normaler LEGO Stein. Von den neumodischen Minifiguren mit beweglichen Armen und Beinen und ausdrucksvollen Gesichtern ganz zu schweigen!

Kicher. Das hört sich so an, als sei irgendwer bei Lego leicht angenervt vom Dauergenöle der AFOLs* und hätte die Gelegenheit genutzt, mal – humorvoll aber doch – vom Leder zu ziehen. Was übrigens auch eine Formulierung aus Großvaters Zeiten ist.

Denjenigen, die nicht wissen, auf was sich die Sache mit den alten und neuen braunen Lego-Steinen bezieht, sei es kurz referiert:
Mit dem Modelljahr 2004 änderte Lego die Farben grau, braun und dunkelgrau in die Farben ab, die heutzutage als grau, braun und dunkelgrau produziert werden. Die alten Farben waren erdigere, natürlich wirkende Farbtöne, die neuen Farben sind betreffs grau etwas bläulicher, betreffs braun etwas rötlicher. Seinerzeit rief diese Änderung massive Proteststürme in den damals tonangebenden Internetforen (vor allem Lugnet) hervor. Einerseits, weil Lego überhaupt etwas änderte; das war die opahafte Sichtweise, die in der Charakterbeschreibung der obigen Sammelminifigur aufs Korn genommen wird. Andererseits, und das war die argumentativ unterfütterte Sichtweise, weil natürlich alle neuen Teileformen bloß noch in neuen Farben verfügbar sein würden, wohingegen ausgemusterte aber noch im Bestand der AFOLs befindliche Teile eben nicht in den neuen Farben hergestellt werden würden. So oder so war farbkonsistentes Bauen nicht mehr uneingeschränkt möglich und ist es natürlich bis heute nicht. Das wurde als Abkehr vom Systemgedanken empfunden.
Und drittens waren viele AFOLs mit der Art und Weise nicht glücklich, mit der Lego diesen Farbwechsel zunächst vollzog (nämlich völlig unangekündigt) und sodann zu erklären versuchte; denn mit Marketinggewäsch und fadenscheinigen Begründungen ließ man sich ungern abspeisen. Das Vertrauen in die Beständigkeit des Produkts „Lego“, dessen integraler Bestandteil es ja ist, daß über Generationen alles zu allem paßt, aber auch das Vertrauen in die Handlungsweise der Firma selbst war erschüttert. Zusätzlich dazu bekriegten sich kritische und ..naja.. unkritische Fangruppen zum Teil sehr heftig (verbal). Alles in allem war die ganze Angelegenheit nicht schön. Eine abschließende Zusammenfassung könnte hier nachgelesen werden.

Jedenfalls. Es ist durchaus erstaunlich, daß nun, fast zehn Jahre später, Lego selbst auf dieses leidige Thema anspielt. Dabei war doch fast Gras drüber gewachsen, und selbst ich spiele mit dem Gedanken, die neuen, geänderten Farben vielleicht doch irgendwann zu akzeptieren. Immerhin ist es schön zu sehen, daß Lego offensichtlich unser Genöle wahrgenommen hat.
(Daß früher zwar nicht alles besser, aber doch so manches gut war, macht Jochen Malmsheimer hier deutlich.)

*) Adult Fan of Lego = Erwachsener Legofan.