CD-Regal restocked: Black Sabbath (Zweiter Nachtrag)

The Eternal Idol

Durch das verhinderte Soloprojekt „Seventh Star“ hatte sich unwillentlich aller Beteiligten – vielleicht mit Ausnahme der Plattenfirma – etabliert, daß „Black Sabbath“ allein mit Tony Iommi stehen und fallen würde. Zunächst blieb Sabbath stehen, aber die Besetzung der Band war nicht mehr in Erz gegossen. Wie übrigens auch das Titelbild des 1987er Albums „The Eternal Idol“ nicht, wiewohl es die photographische Darstellung einer Bronzeskulptur gleichen Namens von Auguste Rodin zu sein scheint; aber es konnten keine Bildrechte am Werk erworben werden, also wurden kurzerhand Modells angeheuert und in Farbe getüncht, um die Figurengruppe abzulichten. Jedenfalls, die Besetzung. Langsam wurde es unübersichtlich. Eigentlich wollte Iommi mit dem Seventh-Star-Lineup weitermachen, welchselbiges ja auf der Tour schon nicht mehr dem des Albums entsprach, da Glenn Hughes abgesprungen war und durch Ray Gillen ersetzt wurde. Geoff Nicholls ist gesetzt. Dave Spitz hingegen ist auf dem Backcover als Bassist angegeben, ohne jedoch auf dem Album vertreten zu sein; an seiner statt bassiert Bob Daisley, nicht die erste Eingemeindung aus Ritchie Blackmore’s „Rainbow“ (zuvor Ronnie James Dio), und es sollte auch nicht die letzte bleiben. Daisley ging nach den Album-Aufnahmen freilich nicht mit auf Tour, sondern schloß sich Gary Moore an. Drummer Eric Singer tat es ihm nach; später gründete er gemeinsam mit Sänger Ray Gillen die Band „Badlands“. Aber Gillen war da schon gar nicht mehr der Sänger von Black Sabbath, da er, statt die Arbeit an „Eternal Idol“ abzuschließen, lieber eine Band namens „Blue Murder“ gründete. Die Stimme auf dem Album gehört einem (damals) jungen Mann aus Birmingham, welcher Tony Iommi aufgefallen war, weil er in einer von einem befreundeten Manager betreuten Band sang und sich zuvor bereits bei Sabbath beworben hatte. Tony Martin ist der Name, und was als Verlegenheitslösung begonnen haben mochte, war stabil genug, um zu einer Ära zu werden, mithin der dritten solchen in der Geschichte von Black Sabbath.
Hören wir doch zwischendurch mal hinein, zum Beispiel in den Titel „Ancient Warrior“:

Der Text ist etwas ambig. „He is the king of all kings“ (Dschieses?), „The keeper of the light“ (Luzifer?) – das hat klassisches Sabbath-Potenzial. Dasselbe gilt für das Titelstück, mit dem dieses Album in der Urversion endet. Es bietet einen pessimistischen Blick auf Politik und Gesellschaft, vermengt mit religiösen Motiven. Die Nicht-Urversion des Albums, namentlich die Deluxe-Edition aus dem Jahre 2010, enthält zusätzlich zwei Single-B-Seiten („Black Moon“ und „Some Kind of Woman“) sowie auf der zweiten Disc Studiosessions des Albums mit Ray Gillen am Mikro. Das ist freilich nicht das einzige, was von Ray Gillen blieb, denn sein boshaftes Lachen im Lied „Nightmare“ wurde auch in die von Tony Martin gesungene und ursprünglich veröffentlichte Version eingesamplet.

Headless Cross

Nach dem Abgang von Drummer und Bassisten mußte Tony Iommy mal wieder die Band neustrukturieren. Als Konstanten blieben Geoff Nicholls am Keyboard und Tony Martin am Mikrophon. Und Tony Iommi an der Gitarre, aber das ahnte man schon. Auf dem Album „Headless Cross“ von 1989 ist Laurence Cottle am Baß zu hören, aber *seufz* die anschließende Tour machte nicht er mit, sondern Neil Murray stieg bei Black Sabbath ein. Das Schlagzeug bediente Cozy Powell, vormals … na? Richtig! „Rainbow“. Einzig die Unersetzlichkeit Tony Iommis scheint Ritchie Blackmore davon abgehalten zu haben, höchstselbst bei Sabbath die Gitarre zu spielen. Oder? Brian May ist als Gastsolist im Lied „When Death Calls“ zu hören, also hätte Ritchie durchaus… Blödsinn.
Nachdem Tony Martin auf „The Eternal Idol“ für das bereits so gut wie fertige Album lediglich die Texte anstelle von Ray Gillen eingesungen hatte, oblag es ihm nun, selbst die Texte zu verfassen, wie man es gemeinhin vom Sänger erwartet. Was insofern verwunderlich ist, als dies ja in den Anfangstagen der Band keineswegs die Norm war, insofern Bassist Geezer Butler und eben nicht Ozzy Osbourne den Großteil der Texte verfaßt hatte. Tony (Martin) sah sich also mit der Aufgabe konfrontiert, sabbathtypische Songs zu schreiben, und er flüchtete sich in düstere, teils okkulte Motive, die den Teufel nicht ausließen. Auch das Kreuz als erstes inoffizielles Black-Sabbath-Symbol durfte nicht fehlen, hence the title. Nach einem ominösen Intro mit Namen „The Gates of Hell“ steht das Titelstück als zweiter Track am Beginn des Albums:

Das Motiv des keltischen Kreuzes mit dem romantogothischen Bandnamen war, wie anfangs erwähnt, meine erste Begegnung mit Black Sabbath – auf dem T-Shirt eines mir nicht namentlich bekannten Mitschülers in der Pausenhalle. Mein Klassenkamerad Jan Freitag war es, der anmerkte, daß „das Satanisten“ seien. Diesen Eindruck könnte man angehörs des vorliegenden Albums in der Tat gewinnen, denn während bei Geezer Butler in den 70ern die Erwähnung Satans keineswegs dazu diente, ein verehrungswürdiges Bild des Gehörnten zu zeichnen, sondern eher als Symbol stand für den Zustand einer gottverlassenen Welt, in welcher augenscheinlich finstere, korrupte Mächte am Werke waren, ist dies auf „Headless Cross“ durchaus nicht der Fall. Schon das Titelmotiv des zerbrochenen Kreuzes (bildlich dargestellt auf der Rückseite des Covers) deutet auf eine antichristliche Einstellung hin, und auch die Beschreibungen von Satan bzw. dem Devil sind, wenn zwar nicht gerade offen verehrend, so doch auch nicht deutlich ablehnend. Dessen ungeachtet denke ich, daß dies vor allem Tony Martins Bestreben geschuldet ist, vielleicht etwas überambitioniert, eine Stimmung zu erzeugen, die der Legende „Black Sabbath“ angemessen schien. Übrigens war wohl Tony Iommi zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt, denn er wies seinen Frontman an, es mit der Teufelsbuhlerei nicht zu sehr zu übertreiben und das alles auf dem nächsten Album etwas zurückzuschrauben.

TᛉR

1990 erschien mit „Tyr“ das dritte Sabbath-Album in Folge mit demselben Sänger, und auch der Rest der Band ist gegenünber dem Vorgängeralbum beinahe unverändert, mit Ausnahme von Neil Murray, der erst mit dem Beginn der Headless-Cross-Tour als Bassist eingestiegen war; soviel Konstanz hatte es seit dem Bodensee… Falsche Konnotation. Seit über 10 Jahren nicht mehr gegeben.
Auf den ersten Blick scheint „Tyr“ ein Konzept-Album zu sein, das Artwork ist nordischen Schnitzereien nachempfunden, Tyr ist ein Gott der nordischen Mythologie (ein Sohn Odins), und der Titel ist in Runen geschrieben, freilich falsch, den die Algiz-Rune (ᛉ) repräsentiert kein y, sondern x oder z, aber geschenkt. In des Albums Mitte bzw. zu Beginn der B-Seite nimmt ein Triptychon von „The Battle of TYR“, „Odin’s Court“ und „Valhalla“ den Albumtitel thematisch auf. Auch das zweite Lied der Platte „The Law Maker“ kann mit dem Gott Tyr in Verbindung gebracht werden, welcher gemäß Wikipedia „Souverän des Rechts“ ist. (Benjamin Hederichs „Gründliches Mythologisches Lexikon“ ist leider nicht so gründlich, daß es sich um die nordische Mythologie scheren würde. Punktabzug! Aber soeben fällt mir wieder ein, daß Rudolf Simeks „Lexikon der germanischen Mythologie“ hier ja auch steht. Wenn Tyr da nicht drinsteht… Er steht. Aha: In vorgermanischen, also indogermanischen Zeiten war Týr als Himmels- Kriegs- und Versammlungsgott noch so bedeutend, daß sein Name auf „Zeus“ einwirkte und schlechthin für „dei“, also „Götter“ im Allgemeinen stand. Klammer zu.) Die andere Hälfte des Albums nimmt keinen Bezug zu nordischen Gottheiten, sondern spielt auf das mittelalterliche Christentum an, musikalisch besonders deutlich im Opener „Anno Mundi (The Vision)“:

Ob der Titel „Jerusalem“ eine Anspielung auf Englands dritte oder vierte Nationalhymne „Jerusalem“ ist, weiß ich nicht. Aber da Tony Iommi Tony Martin (Dativ) ja quasi verboten hatte, ständig auf Black Sabbath‘ Satanismusklischee herumzureiten, schmuggelte dieser mit „The Sabbath Stones“ wenigstens das Sabbath-Selbstbezug-Klischee ein. Musikalisch überwiegen düstere atmosphärische Klänge, weniger Tony Iommis Gitarrenriffs.

Dehumanizer

Tony (Martin, again) hatte sich durchaus als stimmgewaltiger Sänger und fähiger Lyriker… Lyrizist… Songwriter erwiesen, doch die drei Alben, die mit ihm am Mikro entstanden, blieben hinter den Erwartungen zurück. Vor allem hinter Tony Iommis finanziellen Erwartungen. Darum strebte Tony (Iommi, diesmal) eine erneute Zusammenarbeit mit Ronnie James Dio an. Auch konnte er Geezer Butler wieder ins Boot holen. Da Cozy Powell sich das Schlüsselbein brach, mußte auch der Platz am Schlagzeug neubesetzt werden, und Vinny Appice kehrte dorthin zurück. Somit war das Lineup des Albums „Mob Rules“ wieder vereint, und im Jahre 1992 erschien das Album „Dehumanizer“. Tony (also Martin jetzt) gibt an, nie formell gefeuert worden zu sein; Tony (Iommi) war möglicherweise zu introvertiert, um dergleichen offiziell und endgültig zu tun. Irgendwie konnten verschiedene Inkarnationen von Black Sabbath zeitgleich nebeneinander existieren, was später noch einmal deutlich wurde.
Das Titelbild von „Dehumanizer“ zeigt in 90er-Jahre-Airbrush-Optik einen Roboter-Sensenmann, welcher einen T-Shirt-Träger vermittelst Sith-Blitzen vom Menschenleben zum Robotertod befördert – etwas cheesy. Musikalisch knüpft dieses Album aber in der Tat an „Mob Rules“ an. Ronnie James Dios druckvolle Stimme kämpft mit Tony Iommis Gitarre und Geezer Butlers Baß um die akustische Vorherrschaft. Thematisch sind die Texte zum Teil im damals noch argwöhnisch beäugten Computer-Zeitalter angesiedelt, spiegeln aber nach wie vor Ronnie James Dios Vorliebe für Fantasy wieder.
„I“:

Am Ende der Dehumanizer-Tour stand ein gemeinsamer Auftritt von Black Sabbath mit Ozzy Osbournes Solo-Band (Ein Oᛉᛉymoron. Ha!) im kalifornischen Costa Mesa. NaTÜRlich war Ronnie nicht dazu zu bewegen, die Bühne mit seinem erklärten Erzfeind Ozzy Osbourne zu teilen, und da sein Vertrag mit Black Sabbath sowieso auslief, qittierte er den Dienst. Judas-Priest-Sänger Rob Halford erhielt so die Gelegenheit, sich in die illustre Liste von Black-Sabbath-Sängern einzureihen, da er Ronnie bei diesen Shows ersetzte. Überdies kam es zu einer tatsächlichen One-Night-Only-Wiedervereinigung von Black Sabbath mit Ozzy und Bill Ward für immerhin vier Lieder.

Cross Purposes

Ronnie James Dio war beleidigt abgezogen, aber das machte ja nichts, denn eigentlich war ja sowieso Tony Martin der aktuelle Sabbath-Sänger. Da aber auch Vinny Appice seinen Platz hinterm Drum kit wieder räumte, mußte Ersatz her, dieses Mal Bobby Rondinelli, welchselbiger auch schon mal bei „Rainbow“ gespielt hatte, Black Sabbath‘ Ersatzteillager. Geezer Butler blieb und verlieh dem 1994er Album „Cross Purposes“ somit ein wenig klassischen Black-Sabbath-Glanz. Theoretisch. Denn leider muß ich sagen, daß dieses Album genau diesen Glanz vermissen läßt. Bis auf ein paar gelungene Riffs („Immaculate Deception“) und nette Melodien („The Hand that Rocks the Cradle“) kommt da nicht viel. Tony Martins Stimme wirkt müde und entwickelt nicht denselben großen Umfang wie auf den vorherigen drei Alben. Die Songs klingen irgendwie uninspiriert, mehr wie eine Pflichtübung denn wie eine Herzensangelegenheit. Pflichtschuldigst werden ein paar Kreuze eingestreut („Cross of Thorns“), einige religiöse Motive dazwischengeworfen („Back to Eden“), wird etwas Morbidität vorgetäuscht („Dying for Love“). Schon das Titelbild ist irgendwie fadenscheinig, ein Engel mit brennenden Flügeln, na toll. Band- und Album-Namen in uninteressanter Antiqua-Schrift, glatt und belanglos. Vielleicht war die Mitte der 90er einfach nicht die Zeit für Bands wie Black Sabbath, denn am mangelnden Talent kann das ja nicht gelegen haben. Für sich genommen sind die Lieder nicht einmal schlecht, aber als Album merkwürdig kraftlos. Als Höreindruck „Cross of Thorns“:

Wer weiß. Wenn man 1994 zum ersten Mal ein Black-Sabbath-Album auflegte und es „Cross Purposes“ war, dann mag es einem wie ein grandioses Album vorgekommen sein, vielleicht sogar zu Recht. Hätte zum Beispiel mir durchaus passieren können, denn in jener Zeit erwachte ich aus meinem kindlichen Dornröschenschlaf und begann, mich der populären Musik zuzuwenden, wiewohl ich aus zuvor genannten Gründen an Black Sabbath keinen Gedanken verschwendete. Wie auch immer. Wenn man die sechzehn vorherigen Sabbath-Alben im Ohr hatte, wird „Cross Purposes“ nicht prominent hervorgeklungen haben. Irgendwann ist eine Band vielleicht auch einfach so ausgebrannt wie Engelsflügel.

Forbidden

Der Plattenvertrag lief aus und andere große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus, aber zuvor mußte noch ein Album beim bisherigen Label produziert werden. Nach der Cross-Purposes-Tour stieg Geezer Butler mal wieder aus und wurde durch den Rückkehrer Neil Murray ersetzt (der zwar kein Rainbow-Ehemaliger ist, aber immerhin bei „Whitesnake“ gespielt hatte, einem anderen Deep-Purple-Ableger). Auch Cozy Powell übernahm nach auskuriertem Schlüsselbeinbruch wieder die Drumsticks von Bobby Rondinelli. Physisch stießen die beiden allerdings nicht direkt zu den Tonys und Geoff Nichols, so daß die Arbeiten am 1995er Album „Forbidden“ zunächst in gestutzter Besetzung stattfanden. Hierbei kollaborierte Black Sabbath mit der Rap-Metal-Band „Body Count“, Ernie-C fungierte als Produzent und Ice-T hat einen Wortbeitrag im Eröffnungstitel „The Illusion of Power“. Dieser Umstand allein genügte wohl schon, um die Sabbath-Fanbasis in Aufruhr zu versetzen: Was hatte Black Sabbath mit Rap am Hut? (Meine Standardantwort: Nichts, nämlich.) Sollte es Tony Iommis Intention gewesen sein, mithilfe dieser Zusammenarbeit den Sound der Band zu modernisieren und auf den Stand der Zeit zu bringen, um neue Fans zu gewinnen und alte bei der Stange zu halten, so ging dieser Plan gründlich schief. Fans wollen nichts revolutionär Neues, sie wollen dasselbe, bloß anders. So superrevolutionär anders ist der Sound auf „Forbidden“ zwar gar nicht, immerhin sind hier dieselben Musiker am Werke wie auf „Tyr“, aber das liebgewonnene Selbe ist es halt auch nicht.
Hier irgendwo ist also Ice-T zu hören, „The Illusion of Power“:

Is‘ aber auch egal, denn nach „Forbidden“ war die über eine Dekade dauernde Zwischenepisode der Uneinheitlichkeit für Black Sabbath sowieso vorbei. Schon seit einiger Zeit hatte Tony Iommi die Fühler ausgestreckt, um seine eigentlichen Band-Kollegen wieder zusammenzubringen, vermutlich war er im Auftrag des Herrn unterwegs. Geezer Butler war ja zwischenzeitlich schon wieder Sabbath-Mitglied gewesen, und mit Ozzy Osbourne und Bill Ward hatte es immerhin schon einen gemeinsamen Auftritt gegeben. Eine Wiedervereinigung lag quasi in der Luft.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: